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Aus: Ausgabe vom 11.03.2025, Seite 1 / Titel
Warnstreiks im öffentlichen Dienst

Hier fliegen nur die Fetzen

Ausstand von Beschäftigten an 13 Flughäfen legt landesweit den Flugverkehr lahm. Stadtreinigung, Klinikpersonal und Erzieherinnen streiken mit
Von David Maiwald
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Die Flughafenbeschäftigten sorgten am Montag für landesweiten Stillstand an den Airports

Um die Löhne von 2,5 Millionen Menschen zu erhöhen, braucht es einen starken Hebel. Die Gewerkschaft Verdi legte dafür am Montag an 13 Flughäfen landesweit den Flugverkehr lahm. Mit dem Ausstand im Ringen um ihren Tarifvertrag (TVöD) mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) bewiesen die Kolleginnen und Kollegen eindrücklich, wieviel ihr Einsatz täglich bewegt: Etwa in Hamburg, wo nicht nur sämtliche Flüge ausfielen, sondern auch Beschäftigte der Asklepios-Krankenhäuser und des Uniklinikums Eppendorf sowie von Stadtreinigung und städtischen Kindertagesstätten die Arbeit niederlegten.

Auch in Berlin soll der Ausstand der Stadtreinigung wie auch in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens bis zum Wochenende andauern: Nach Straßenreinigung und Werkstätten am Montag und Dienstag hat Verdi ab Mittwoch alle Bereiche der BSR zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. Das ist nötig, weil die VKA in der laufenden Tarifrunde bislang mit einem Angebot auf sich warten lässt. In Kiel quittiert die örtliche Stadtreinigung die Ignoranz der Bosse bereits mit einem seit Mittwoch andauernden Streik. »Kiel versinkt im Dreck« plärrte der Springer-Boulevard dazu am Montag, allerdings ohne die Blockadehaltung des VKA auch nur mit einem Wort zu erwähnen.

Vor allem »unbeteiligte Dritte« würden von den Warnstreikaktionen der Gewerkschaft getroffen und »die Wirtschaft« erheblich geschädigt, ließ sich VKA-Hauptgeschäftsführer Niklas Benrath am Montag in einer Mitteilung über die landesweiten Flughafenstreiks aus. Auch der Luftfahrtverband BDL hielt es gleichentags für »dringend geboten, ein Streikgesetz einzuführen«, um »insbesondere kritische Infrastruktur (…) davor zu schützen, von anderen Tarifkonflikten in Geiselhaft genommen zu werden«. Die Mittelstandsunion von CDU und CSU-hatte erst kürzlich mit einer ähnlichen Begründung gefordert, das Streikrecht einzuschränken.

Angesichts dieser Äußerungen verwundert es nicht, dass sich Verdi in Verhandlungen mit solchen Figuren zum Ausstand gezwungen sieht. Denn ihre Verlautbarungen zeigen an, was vom Regierungskabinett eines Bundeskanzlers Friedrich Merz zu erwarten ist: Von der Gewerkschaft geforderte Entgelterhöhungen um acht Prozent, mindestens aber 350 Euro monatlich, seien »bei einer kommunalen Gesamtverschuldung von rund 160 Milliarden Euro finanziell nicht darstellbar«, behauptete VKA-Chef Benrath am Montag. Die geforderten drei freien Tage würden das verfügbare Arbeitszeitvolumen außerdem »weiter verringern und die kommunale Daseinsfürsorge beeinträchtigen«, befand er.

Ein Hohn, klagen die Beschäftigten doch schon lange über Arbeitsverdichtung durch massenhaft unbesetzte Stellen im öffentlichen Dienst. Und zudem dreist, führt man sich vor Augen, dass der »Zeitenwende«-Kurs der Ampelkoalition nun auch noch mit einer Reform der »Schuldenbremse« für weitere Hochrüstung übertrumpft werden soll.

Doch auf diesen Zusammenhang geht Verdi im laufenden Tarifkampf nicht ein, obwohl die abermilliardenschwere Umverteilung nicht nur massenhaft Geld der Beschäftigten in die Taschen der Konzernbosse und ihrer Politiker befördert, sondern letztlich auch die Kolleginnen und Kollegen in deren Schützengräben. Ob für mehr Lohn, kürzere Arbeitszeiten oder gegen den Krieg: Der Hebel organisierter Beschäftigter ist und bleibt der Streik, im öffentlichen Dienst und weit darüber hinaus.

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