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Aus: Ausgabe vom 14.03.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Waffenexporte

»Neutrale« Schweizer Kriegsgeschäfte

Rüstungsexporte der Eidgenossenschaft im vergangenen Jahr leicht rückläufig. In der Tendenz steigt der Wert der Waffengeschäfte aber an
Von Dominic Iten
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Ein Panzer auf dem Militärübungsgelände Wichlen im schweizerischen Kanton Glarus

Das Schweizerische Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat seine jährlichen Zahlen zur Ausfuhr von Kriegsmaterial veröffentlicht. Daraus lässt sich ein Rückgang der Rüstungsexporte entnehmen: Für insgesamt 664,7 Millionen Franken (rund 637 Millionen Euro) hat die Schweiz im Jahr 2024 Kriegsmaterial exportiert, im Vergleich zum Vorjahr (696,8 Millionen Franken) sind das fünf Prozent weniger. Das klingt zunächst nach einer erfreulichen Nachricht. Doch wer nicht nur den am Dienstag veröffentlichten Bericht heranzieht, dem zeigt sich, dass der Wert des ausgeführten Kriegsmaterials seit Jahren tendenziell steigt.

Gemäß dem SIPRI-Bericht von 2024 rangiert die Schweiz mit einem Anteil von 0,5 Prozent an den globalen Waffenexporten immerhin auf Platz 15 der größten Exporteure. Die fünf größten Abnehmer 2024 waren die NATO-Staaten Deutschland (203,8 Millionen), die USA (76 Millionen), Italien (50,6 Millionen), Schweden (42 Millionen) und Rumänien (38,5 Millionen). Über 80 Prozent aller Exporte gingen nach Europa, wobei es sich bei dem gelieferten Kriegsmaterial in erster Linie um Munition, Munitionsbestandteile und Panzerfahrzeuge handelte.

Und doch: Gut 32 Millionen Franken weniger für die Schweizer Rüstungsindustrie – das ist Wasser auf die Mühlen jener, die sich seit Jahren für eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes stark machen. In seinem Bericht moniert das Seco, die Schweiz könne »aufgrund des neutralitätsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots (…) Anfragen um Weitergabe von Kriegsmaterial mit Schweizer Ursprung an die Ukraine nicht zustimmen, solange diese in einen internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist«.

Genau das will die Regierung ändern. Mitte Februar verabschiedete der Bundesrat eine Botschaft an das Parlament, in der er die Kompetenz forderte, »im Falle außerordentlicher Umstände und zur Wahrung der Interessen der Schweiz von den Bewilligungskriterien für Auslandsgeschäfte abzuweichen«. Dadurch sollen sich der Schweiz Handlungsspielräume eröffnen, »die Ausfuhrpolitik für Kriegsmaterial an sich ändernde geopolitische Gegebenheiten anpassen zu können«. Das diene nicht nur den »außen- oder sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz«, sondern auch der Aufrechterhaltung einer »an die Bedürfnisse der Schweizer Landesverteidigung angepassten industriellen Kapazität«.

In anderen Worten: Die Schweiz soll ihre Waffen endlich auch dorthin liefern dürfen, wo sie umgehend eingesetzt werden. In Zeiten neu entflammender Kriege und allseitiger Aufrüstung soll die Schweizer Rüstungsindustrie nicht aufgrund neutralitätsrechtlicher Spitzfindigkeiten außen vor bleiben. Dieses Bedürfnis spiegelt sich auch in der rapide ansteigenden Zahl neuer Bewilligungen für Kriegsmaterialexporte: Der Wert der neu bewilligten Ausfuhrgesuche hat sich gegenüber dem vergangenen Jahr von 1.030 auf 1.854 Millionen Franken fast verdoppelt.

Das Schweizer Kriegsmaterialgesetz ist seit seiner Verabschiedung 2008 umkämpft, weil es die Bedingungen für die Kriegsmaterialausfuhr verschärft hat. Eine starke Lockerung der bis dahin eher restriktiven Exportpraxis setzte der Bundesrat etwa 2014 durch: Waffenexporte in Staaten, welche systematisch Menschenrechte verletzen, sind nur noch verboten, wenn diese Waffen auch tatsächlich für besagte Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden – wie so eine absurde Bestimmung in der Realität kontrolliert werden soll, weiß niemand. Eine weitere Aufweichung des Gesetzes wurde 2018 nur dank einer Initiative der Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee (GSOA) verhindert.

Bis die Geräte aus den Schweizer Waffenschmieden offiziell in alle möglichen Kriegsgebiete geliefert werden dürfen, versucht man auf Umwegen und durch juristische Graubereiche am eigens geschaffenen Gesetz vorbeizukommen. Zum Beispiel, indem stillgelegte »Leopard 2«-Panzer an Deutschland verkauft werden, das seinerseits Waffen in die Ukraine liefert – so geschehen Ende 2023. Der Bundesrat kommentierte das seinerzeit als »neutralitätsrechtlich korrekt und neutralitätspolitisch sinnvoll«.

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