Reeder zwischen Washington und Beijing
Von Burkhard Ilschner
»Starke Leistung in unsicheren Zeiten« bescheinigt sich der Verband Deutscher Reeder (VDR) in seiner Mitteilung zur aktuellen Jahrespressekonferenz. »Auch in diesem Jahr« stehe Deutschland mit rund 290 Reedereien und 1.764 Handelsschiffen »wieder auf Platz sieben der weltweit führenden Handelsschiffahrtsnationen«. Nun ja: Im Jahre 2011 zählte die deutsche Handelsflotte (nach damaligen VDR-Angaben) 3.878 Schiffe und lag damit auf Platz drei der Weltrangliste. Vor 14 Jahren bestand die Welthandelsflotte übrigens aus knapp 39.400 Schiffen, Ende 2024 waren es laut UNCTAD-Report rund 58.000 – »stark« scheint ein dehnbarer Begriff zu sein.
Und wie sieht der VDR seine eigene Rolle? Ohne »starke, eigenständige Handelsschiffahrt« gebe es in Zeiten geo- und handelspolitischer Risiken weder wirtschaftliche Stabilität noch nationale Sicherheit, sorgt sich Verbandspräsidentin Gaby Bornheim um Folgen eventueller Angriffe »auch auf deutsche Handelsschiffe« sowie Blockaden wichtiger Seestrecken für den deutschen Im- und Export. Prompt erneuert der VDR seinen Ruf nach »mehr Präsenz der Marine« zum Schutz der Schiffahrt. Geschäftsführer Martin Kröger fordert gar »eine maritime Sicherheitsstrategie und eine intensivere Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und der Handelsflotte«. Für Ost- und auch Nordsee überlegen manche Anrainer und die NATO das bereits, wenngleich gegen Gebühr. Die Reeder verweisen aber auch auf Gefahren im Roten, Schwarzen oder Südchinesischen Meer. Das zu handhaben, dürfte nach Seerecht nicht problemlos sein.
Der Korrektheit halber ist einzuräumen: Eine starke Haltung zeigt der VDR, genauer einzelne seiner Mitglieder, angesichts der »jüngsten protektionistischen Ankündigungen (…) von Präsident Trump«. Der US-Regierungschef hatte allen Reedern, die mit in China gebauten Schiffen US-Häfen anlaufen, millionenschwere Strafgebühren angedroht. Das hat zwar die globale Schiffahrt erheblich verunsichert, löst aber unterschiedliche Reaktionen aus: Frankreichs Containerreederei CMA CGM macht soeben einen Kotau vor Trump, Konzerneigner Rodolphe Saadé hat dem Präsidenten eine 20-Milliarden-US-Dollar-Investition in den USA zugesichert. Der dänische Infodienst Shipping Telegraph und das deutsche Portal Hansa melden, CMA CGM wolle in den kommenden vier Jahren so »einen Beitrag zur US-amerikanischen Seewirtschaft leisten und die Umgestaltung der inländischen Lieferkette Amerikas unterstützen«.
Es geht aber durchaus anders: Sowohl Hansa als auch der Singapur-Dienst Splash247 berichten übereinstimmend, dass Hapag-Lloyd sieben ältere Containerschiffe umbauen lässt, um deren Kapazität zu erhöhen; den Auftrag habe man gerade der chinesischen Werft Cosco Zhoushan Shipyard erteilt. Und Gaby Bornheims Reederei Peter Döhle habe einen bei der chinesischen Werft Guangzhou Shipyard bereits laufenden Neubauauftrag für drei mittlere Containerschiffe soeben um zwei Schwesterschiffe erweitert – allen Drohungen der Trump-Administration zum Trotze. Warum solche Jobs nicht bei hiesigen Werften plaziert werden, ist eine andere Frage.
Die »starken« deutschen Reeder feiern sich unter anderem aber auch dafür, dass sie »zur Stärkung des deutschen Schiffahrtsstandorts« aktuell mehr Nachwuchs ausbildeten – erwähnen aber nicht, dass die Förderbeträge für Ausbildung gerade um 20 Prozent angehoben worden sind. Gezahlt wird das aus einer Stiftungskasse, in die Reeder einzuzahlen haben, wenn sie Schiffe ausflaggen: 1.506 ihrer 1.764 Schiffe fahren aktuell unter Billigflagge.
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