Gemetzel in Brazzaville
In der Haupstadt von Kongo-Brazzaville haben Regierungssoldaten und Milizen des Oppositionsführers Denis Sassou Nguesso ihre Gefechte am Wochenende mit unverminderter Härte fortgesetzt. Nach Angaben eines Europäers in Brazzaville gab es Hunderte von Toten und Verletzten. Wegen der andauernden Schußwechsel trauten sich die Bewohner nicht auf die Straße, um die Leichen zu bergen. Bei einer Hilfsaktion für gefährdete Franzosen wurde am Samstag abend ein französischer Soldat getötet, fünf weitere wurden verletzt.
Der Regierungschef von Kongo-Brazzaville, Charles David Ganao, bot Nguesso Verhandlungen über einen Waffenstillstand an. Dieser erklärte sich zwar dazu bereit, stellte aber zahlreiche Bedingungen. Im französischen Radiosender RFI sagte Nguesso, er werde seinen Milizen ein Ende der Kämpfe befehlen, wenn Präsident Lissouba erkläre, daß er der Angreifer gewesen sei. Zudem müßten die Angriffe im Norden Brazzavilles und die Anschläge auf Oppositionsmitglieder aufhören. Regierungssoldaten hatten am Donnerstag das Viertel abgesperrt, in dem Nguessos Residenz liegt. Nguesso, Staatschef von 1979 bis 1992 und derzeit Vorsitzender der Oppositionspartei Vereinte Demokratische Kräfte (FDU), will bei den Präsidentschaftswahlen am 27. Juli antreten. Er wirft Lissouba vor, ihn daran hindern zu wollen.
Ganao sagte am Samstag abend, Lissouba habe das Vermittlungsangebot des Präsidenten von Gabun, Omar Bongo, angenommen. Bongo ist der Schwiegersohn von Nguesso und soll über gute Kontakte zu Lissouba verfügen. Er hatte sich am Freitag als Vermittler angeboten. Soldaten und Milizen bekämpften sich nach Augenzeugenberichten mit Maschinengewehren, Granatwerfern und Panzerabwehrraketen. Am Sonntag eroberten die Kämpfer des früheren Staatschefs Nguesso nach eigenen Angaben den Sitz der Regierung und kontrollierten »mehr als die Hälfte der Stadt«. Das berichtete der Interimspräsident der Partei Nguessos, Ambroise Noumazalay, telefonisch aus Brazzaville. Viele Menschen flohen aus der Stadt.
Frankreich will bereits am Montag weitere Soldaten nach Kongo-Brazzaville entsenden, um den Sturz seines StatthalterRegimes zu vermeiden und »antifranzösische Ausschreitungen« zu unterbinden. Das teilte das Außenministerium in Paris am Sonntag nach der Sitzung eines Krisenstabs mit, an dem Vertreter der betroffenen Ministerien sowie von Präsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospin teilnahmen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sollen etwa 500 Mann nach Brazzaville entsandt werden. Frankreich schickte schon am Sonntag zusätzliches militärisches Gerät in das zentralafrikanische Land, wo etwa 450 Soldaten stationiert sind. Das Verteidigungsministerium in Paris machte am Sonntag keine Angaben über die Art der militärischen Ausrüstung, die nach Brazzaville geschickt wurde.
Wahrscheinlich handelte es sich um gepanzerte Fahrzeuge zum Truppentransport, die in benachbarten afrikanischen Ländern wie Gabun bereit stehen. Zur Evakuierung der rund 2 000 Franzosen in der Stadt entschloß sich das Verteidigungsministerium aber zunächst nicht.
AFP/jW
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