Stahlarbeiter zahlen Zeche
Von Max Ongsiek
Der von der Rezession arg gebeutelte Saarstahl-Konzern sieht seine Erlösung in der CO2-reduzierten Produktion. Gleichzeitig bürdet er seinen Beschäftigten einen Millionen-Euro-Verzicht auf. Schon 2024 stimmten die rund 6.400 Saarstahl-Beschäftigten einer Zahlungsentsagung in Höhe von rund 40 Millionen Euro zu. Da der Konzern anschließend noch weiter in die Misere rutschte – auch wegen sinkender Nachfrage der deutschen Automobilindustrie –, forderte der Vorstand des Konzerns am 12. März auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung von seiner Belegschaft einen weiteren Opfergang: Diesmal sollen insgesamt 90 Millionen Euro vom Konzern einbehalten werden, statt auf den Konten der Beschäftigten zu landen.
Dass neue Streichungen kommen werden, war klar. Allerdings rechnete der Betriebsrat laut Saarländischem Rundfunk (SR) mit »nur« 40 Millionen Euro. Spätestens jetzt wird deutlich: Das Unternehmen steckt in der schwersten Krise seit seinem Konkurs in den 1990er Jahren, wie die Saarbrücker Zeitung (SR) formulierte. Die Saarstahl AG gehört über die Stahl-Holding-Saar (SHS) der Montan-Stiftung-Saar, die wiederum eng mit der Saar-Politik verbunden ist.
Was der Konzern in Summe seinen Lohnabhängigen an Entbehrungen in Zukunft abverlangt, schlüsselte Mareike Müller, Referentin des Betriebsrats Völklingen der Saarstahl AG, auf jW-Anfrage auf: 40 Millionen Euro für 2025, 30 Millionen Euro für 2026, sowie 20 Millionen Euro für 2027.Die Beschäftigten sollen auf Weihnachts- und Urlaubsgeld, Tariferhöhungen sowie Arbeitszeit- und Mehrarbeitszuschläge verzichten. Darüber hinaus prüfe der Konzern Standortschließungen und betriebsbedingte Kündigungen, so Müller. Auch Stephan Ahr, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Saarstahl AG, geht mit den Kürzungsforderungen des Saarstahl-Vorstandsvorsitzenden Stefan Rauber hart ins Gericht. »Rauber will die Saarstahl wieder auf Kurs bringen – und zwar mit allen Mitteln.« Denn »in den bereits geleisteten Einsparungen« von 165 Millionen Euro »stecken zu einem überwiegenden Teil Personalmaßnahmen« drin, erklärte Ahr gegenüber jW.
Die IG Metall spricht von einem Überlebenskampf von Saarstahl und will die Kürzungsorgie auf Kosten der Beschäftigten nicht mittragen. Am Montag traf sie sich zu ersten Verhandlungen mit Konzernvertretern. Obwohl sich Gewerkschaft und Betriebsrat keine Illusionen über die prekäre Lage des Stahlkonzerns machen, setzen sie weiterhin alle Hoffnung in eine Konzernumwandlung in Richtung grünem Stahl. Das heißt, Stahlproduktion mit Erdgas, Wasserstoff, Strom und Schrott – statt mit Kohle und Koks. So erklärte Referentin Müller: »Ohne die Zusage für die Transformation und das Vertrauen in das Gelingen der Transformation würde es die Saarstahl in der jetzigen Stärke nicht mehr geben.« Dafür bestellte die Stahl-Holding-Saar Mitte Oktober 2024, nachdem Bund und Land ihre Förderungen zugesagt hatten, zentrale Anlagen für das »größte europäische Dekarbonisierungsprojekt« – »Power4Steel« –, wie es euphorisch in einem Pressestatement der Saarstahl-Mutter hieß.
Auch Jörg Köhlinger, Leiter des IG-Metall-Bezirks Mitte und Verhandlungsführer, setzt auf diese »umfangreichen Fördergelder«. Allerdings sei die Nachfrage nach Stahl »weiterhin im Keller«, führte er auf jW-Anfrage aus. Eine andere Frage stellt sich außerdem: Wird die Saar-Regierung, wie einst 1993 Ministerpräsident Oskar Lafontaine (SPD) nach dem Konkurs des Stahlriesen, die Saarstahl AG mit zusätzlichen Finanzhilfen stabilisieren? Schließlich ist die Stahlbranche mit rund 12.000 Beschäftigten immer noch die Schlüsselindustrie des Saarlandes. Über ihren Regierungssprecher ließ Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) gegenüber dieser Zeitung erklären: »Die Ministerpräsidentin wird sich nicht unmittelbar in Aushandlungsprozesse von Unternehmen und Mitbestimmung einschalten.«
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