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Aus: Ausgabe vom 21.03.2025, Seite 15 / Feminismus
Rassismus

Migrantinnen gefährdet

Einwanderinnen besonders vom Rechtskurs betroffen
Von Gitta Düperthal
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Hände weg von unseren Körpern, Hände weg von unserem Land: Migrantinnen protestieren am Frauenkampftag 2024 in Berlin

Im Zuge der aktuellen Rechtsentwicklung in der BRD werden feministische Migrantinnen als Bedrohung für die Gesellschaft dargestellt. Dies mahnt Delal Atmaca anlässlich des Internationalen Tags gegen Rassismus an diesem Freitag an. Versucht werde, deren emanzipatorische Bewegungen zu schwächen, Schutzräume anzugreifen und Förderungen zu streichen, führte die Geschäftsführerin des Dachverbandes der Migrantinnenorganisationen (Damigra) im Pressegespräch aus. So würden feministische und migrantische Freiräume und Rechte weiter eingeschränkt, was die demokratische Gesellschaft insgesamt schwäche. Rechte Netzwerke und antifeministische Bewegungen bedrohten gezielt den demokratischen Diskurs, sprachlich, politisch und strukturell.

Unter dem Titel »Migrantisch. Feministisch. Solidarisch. Bedrohte Räume, verstärkter Widerstand« schilderten neben Atmaca Vertreterinnen mehrerer Migrantinnenorganisationen eine sich verschärfende Lebensrealität mit drastischen Beispielen. Gerade in den Peripherien Berlins könnten sich migrantische und queere Frauen oft nicht mehr sicher fühlen, so Thais Vera Utrilla vom »Feministischen Zentrum für Migrant*innen« in Lichtenberg. Sie sprach von No-Go-Areas. Oft suggerierten auch ablehnende Blicke, dass Frauen mit offenkundiger Migrationsgeschichte gesellschaftlich unerwünscht seien. Forough Hossein, Bildungsberaterin für geflüchtete Frauen von »Kobra« in Berlin, berichtete von einer zunehmend prekären Lage für migrantische Frauen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind. Einer Iranerin, die dort Zahnmedizin studiert hatte und in der BRD eine Ausbildung zur pharmazeutisch-kaufmännischen Assistentin begann, sei der Aufenthaltsstatus herabgestuft worden. Sie habe nur noch eine sogenannte Fiktionsbescheinigung erhalten. Ihre Miete sei nicht mehr vom Amt übernommen worden, und, gerade für Migrantinnen wichtige, betreute Bildungskurse seien nicht mehr finanziert worden. Ähnliches hätten Frauen aus Afghanistan, der Türkei oder afrikanischen Ländern erleben müssen.

Mitra Hashemi, geschäftsführende Präsidentin der Deutsch-Afghanischen Freundschaftsgesellschaft Baaham, schilderte, dass im Fall afghanischer Geflüchteter zunehmend weniger gewürdigt werde, welche Beiträge sie für die deutsche Gesellschaft leisteten. Statt dessen konfrontiere man sie mit Vorurteilen und nehme sie in Sippenhaft. Oft werde erwartet, dass sie sich nach kriminellen Vorfällen bei der deutschen Gesellschaft entschuldigen sollten. Vermehrt gebe es Drohungen und Beleidigungen. Doğa Akyürek vom Türkischen Frauenverein konstatierte zudem, dass sich gesellschaftliche Herabwürdigung auf die ökonomische Lage der Frauen auswirke. Für Migrantinnen sei es noch schwerer geworden, eine Wohnung zu finden. Sie beobachte außerdem: Je mehr der Rassismus zunehme, desto mehr würden Frauen diskriminiert.

Delal Atmaca monierte, dass verstärkt ultrarechte Kampfbegriffe kursierten, um Asylrechte und Migration abzuwehren. Statt von ihrem Beitrag zu wirtschaftlicher Stabilisierung und kultureller Bereicherung zu sprechen, sei von Remigration, Asylmissbrauch, Überfremdung, Migrationswelle oder -krise die Rede. Die sogenannte Mitte übernehme von der extremen Rechten gesetzte Begriffe und Haltungen. In Medien, Institutionen und Behörden nehme das migrationsfeindlich eingestellte Personal zu und mache dort seinen Einfluss geltend. Sicherheit dürfe nicht bedeuten, dass »Migrantinnen kriminalisiert oder feministische Stimmen zum Schweigen gebracht werden«, fordert Atmaca. Sicherheit müsse heißen: »Schutz vor Gewalt, Diskriminierung und rechter Hetze«. Es gelte, zu entscheiden: »Entweder wir lassen es zu, dass solche Kräfte die Diskurse weiter nach rechts verschieben, oder wir verteidigen die so angegriffene Demokratie.«

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