Immer schärfere Gesetze
Von Lara Schauland
In Frankreich spitzt sich der Konflikt zwischen organisierten Fußballfans und der Regierung zu. Das Innenministerium rund um den rechtskonservativen Innenminister Bruno Retailleau plant die Auflösung mehrerer Ultra- und Hooligangruppen.
Die Association Nationale des Supporters (ANS), die nationale Vereinigung der Fußballfans, veröffentlichte am Dienstag abend eine von 128 (Stand 21. März: 146) Fangruppen unterzeichnete Erklärung mit dem Titel: »Notre passion ne se dissout pas« (»Unsere Leidenschaft löst sich nicht auf«). Darin kritisiert sie die angekündigten Auflösungen als politisch motiviert und warnt vor einer Zerstörung der aktiven Fankultur in Frankreich. Die ANS solidarisiert sich mit den von der Auflösung betroffenen Gruppen Magic Fans (AS Saint-Étienne), Green Angels (ebenfalls Saint-Étienne) und Brigade Loire (FC Nantes). Laut der ANS würden Maßnahmen wie Gruppenverbote ein Gewaltproblem nicht lösen, sondern es in anonyme, unkontrollierbare Strukturen verlagern.
Die französische Regierung hingegen begründet ihr Vorgehen mit Sicherheitsbedenken. Anfang des Monats unterzeichneten das Innen- und das Sportministerium ein interministerielles Rundschreiben zur verstärkten Gewaltprävention in französischen Fußballstadien. Letzteres »ereignet sich in einem Kontext, der durch eine zunehmende Mobilisierung der internen Sicherheitskräfte zur Gewährleistung der Sicherheit der Spiele gekennzeichnet ist«, so das Innenministerium im Detail. In dem Schreiben war laut Le Parisien auch die Rede vom Verbot von fünf Fangruppen. Neben den Ultragruppen Magic Fans, Green Angels und Brigade Loire, sollen auch die neonazistische Hooligangruppe Offenders von Racing Strasbourg und die Gruppe Legion X des Zweitligisten Paris FC betroffen sein.
Seit Jahren verschärft Frankreich seine Gesetze gegen organisierte Gruppierungen, insbesondere nach den Terroranschlägen von 2015. Die Maßnahmen betreffen verstärkt auch Ultragruppen. In der Erklärung der ANS wird vermutet, dass das Vorgehen des Innenministeriums ein Manöver sei, um von den Misserfolgen bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und dem Drogenhandel abzulenken.
Das Verhalten von Retailleau, rechter Hardliner der Partei Les Républicains, der sich gerade im Wahlkampf um den Parteivorsitz befindet und als Präsidentschaftskandidat 2027 gehandelt wird, scheint nach Aussage des Abgeordneten Sacha Houlié bei France Info nicht überraschend: »Die Stigmatisierung von Fußballfans, um Bekanntheit zu erlangen und Popularität zu kaufen, ist eine lange Tradition der Innenminister.« Weiter betont Houilé: »Ich verstehe das nicht. Die Lage hat sich beruhigt, es gibt deutlich weniger größere Zwischenfälle. Wir sind weit entfernt von den wiederholten Vorfällen, und dennoch greifen wir auf alte Rezepte zurück, deren Unwirksamkeit außer Frage steht. Das ergibt keinen Sinn.«
Romain Gaudin, Sprecher der Brigade Loire, äußerte sich in einem Podcast von Ouest-France zum Thema: »Wenn Sie alle Leute fragen, die am Dialog mit den Anhängern teilnehmen, werden sie Ihnen sagen, dass die Auflösung Schwachsinn ist. Für sie wird es genau den gegenteiligen Effekt haben. In Nantes hat der Klub heute organisierte Fans. Wir sind ein zuverlässiger Ansprechpartner. Wenn es morgen zu einer Auflösung kommt, wird es keine anerkannte Einheit mehr geben, und ich werde niemanden mehr vertreten. Dies wird die Gewalt jedoch nicht beenden. Im Gegenteil: Wer sie begehen will, muss sich dafür nicht einmal mehr verantworten.«
Fans befürchten nun, dass durch die staatlichen Eingriffe nicht nur die Stimmung in den Stadien leidet, sondern auch das soziale Gefüge innerhalb der Vereine geschwächt wird. Die ANS warnt vor »einer Politik der Eskalation«, die langfristig zu mehr Gewalt statt zu mehr Sicherheit führen könnte. In der Erklärung heißt es: »Die Regierung zerstört die einzige organisierte Struktur, die Gewalt verhindern kann. Was bleibt, sind isolierte Gruppen ohne Verantwortung.«
Ob die angekündigten Auflösungen tatsächlich umgesetzt werden, ist noch unklar. Laut L’Équipe könnte das juristische Verfahren mehrere Monate dauern, da betroffene Gruppen das Recht haben, sich zu den Vorwürfen zu äußern.
Nun stellt sich die Frage: Wie werden die Fanszenen in Frankreich mit diesem neuen Maß an Repression umgehen? Die kommenden Monate werden zeigen, in welche Richtung sich die französische Fankultur entwickelt.
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