Chat happens …
Von Jörg Kronauer
Abwiegeln und verleumden: So reagiert die Regierung von US-Präsident Donald Trump bislang auf eine schwere Panne, die mittlerweile unter dem Stichwort »Signalgate« diskutiert wird. Es geht darum, dass die ranghöchsten Mitglieder des US-Sicherheitsapparats konkrete Kriegsoperationen nicht etwa unter strikter Geheimhaltung, sondern in einem ordinären Chat der Messenger-App Signal diskutierten und versehentlich auch noch einen Journalisten hinzuschalteten. Trump suchte den Vorfall am Dienstag als einen kleineren »Lapsus« herunterzuspielen, für den ein einfacher Mitarbeiter seines Sicherheitsberaters Michael Waltz verantwortlich sei. Ohnehin seien in dem Chat keine geheimen Informationen ausgetauscht worden. Jeffrey Goldberg, Chefredakteur des US-Magazins The Atlantic, beschreibt die Sache freilich anders.
Goldberg hatte am Montag ausführlich berichtet, wie er am 13. März von einem Account mit dem Namen »Michael Waltz« in eine Signal-Chatgruppe eingeladen worden war; darin wurde ein kurz bevorstehender Angriff auf Stellungen der jemenitischen Ansarollah diskutiert. Als erfahrener Journalist hielt Goldberg die Einladung erst für eine Falle, über die er mit Fehlinformationen gespickt werden sollte. Als die USA am 15. März aber wirklich »die Ansarollah bombardierten«, realisierte er: Die Gruppe war kein Fake. Zwei Stunden vor dem Angriff hatte in ihr Verteidigungsminister Pete Hegseth exklusive Informationen über Zeitpunkt, Art und Ziele der geplanten Angriffe übermittelt. Was Goldberg dann über die Bombardements erfuhr, entsprach dem genau.
»Signalgate« hat das Zeug, zu einer der größten Peinlichkeiten einer US-Regierung in der jüngeren Vergangenheit zu werden. Im US-Wahlkampf 2016 hatte »Team Trump« es zu einem Kampagnenschwerpunkt gemacht, dass Gegenkandidatin Hillary Clinton in ihrer Zeit als US-Außenministerin dienstliche Mitteilungen illegal über ihren privaten E-Mail-Account verschickt hatte. »Niemand steht über dem Gesetz«, tönte Trump damals. In der nun aufgeflogenen Signal-Gruppe tauschten sich 18 der ranghöchsten US-Sicherheitsfunktionäre aus, darunter der Nationale Sicherheitsberater, die Minister für Verteidigung, Äußeres und Finanzen, der CIA-Chef, die Nationale Geheimdienstkoordinatorin und der »Sondergesandte für den Nahen Osten« Steve Witkoff, der sich zum Zeitpunkt des Chats zudem in Moskau befand. Waltz hat die Verantwortung für den Vorfall übernommen, ging am Dienstag abend aber dazu über, Goldberg vorzuwerfen, sich heimtückisch eingeschlichen zu haben. Hegseth hatte ihn schon zuvor als »betrügerisch« diffamiert.
In den USA werden inzwischen Rücktrittsforderungen laut. In Brüssel hingegen sorgt für Unmut, dass Hegseth und Vizepräsident J. D. Vance, der sich in dem Chat mehrfach zu Wort meldete, heftig über die EU herzogen. Hegseth nannte es »erbärmlich«, dass sich »Europa« auch im »Kampf gegen die Ansarollah« auf das US-Militär verlasse. Vance äußerte, er »hasse« es, »Europa erneut herauszupauken«. Waltz äußerte, die EU werde auf die eine oder andere Weise die Kosten für den Angriff übernehmen müssen. Wie, das bleibt unklar.
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