Arbeitshölle Gigafabrik
Von Niki Uhlmann
Belegschaft eingeschüchtert, Gewerkschaft denunziert und Arbeitsrechte verletzt: Das Fristen der Existenz in der Gigafabrik Teslas bei Grünheide ist allem Anschein nach der Horror. Das dürfte – wenngleich eingeschränkt – auch für die Chefetage gelten, verheißt 2025 doch bisher, kein goldenes Jahr für Tesla zu werden. Ausbaden müssen Verluste natürlich die Beschäftigten. Das wiederum überrascht nicht. Mit Tesla hielt nebst 12.500 Arbeitsplätzen und Umweltverschmutzung im Trinkwasserschutzgebiet der US-amerikanische Führungsstil Einzug in die BRD. Bei letzterem werden Beschäftigte nicht als Menschen begriffen, sondern rein betriebswirtschaftlich als Produktionsfaktor Arbeit und entsprechend behandelt.
Davon will Teslas Deutschlandchef André Thierig aber nichts wissen. Fordert die Belegschaft wie vergangene Woche bei der Betriebsversammlung mit einer Petition »sofortige Entlastung«, spricht er gegenüber dem Handelsblatt von »populistischer Stimmungsmache«. Bei einer zusätzlichen zehnminütigen Pause pro Schicht ziehe er eine »rote Linie«. Laut Bericht sei zudem ein gewerkschaftlicher Protest kurzerhand unterbunden, ein Banner, das die überambitionierten Ziele und das »aggressive Vorgehen einiger Führungskräfte« skandalisieren sollte, eingezogen und ein Gewerkschafter vom Sicherheitsdienst schließlich vom Gelände geschleift worden.
Tesla habe im vergangenen Dezember, so Thierig, bei einer Umfrage unter 7.500 Beschäftigten ermittelt, dass fast 80 Prozent zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz seien. »Wir haben natürlich keine nordkoreanischen Verhältnisse«, bei denen »99,99 Prozent immer zufrieden sind«, so Thierig weiter. Pro Jahr würde bei weiteren Pausen eine Woche weniger produziert. Das wäre ein »Wettbewerbsnachteil«. Beim rabiaten Durchgreifen gegen unliebsame Dissidenten scheint die Geschäftsführung allerdings von der Demokratischen Volksrepublik abgekupfert zu haben. Konzerneigentümer und Multimilliardär Elon Musk wittert laut Handelsblatt sogar eine Verschwörung: Die IGM sei Agentin der deutschen Konkurrenz.
Eine Umfrage der IG Metall im November war jedenfalls zu anderen, weitgehend entgegengesetzten Ergebnissen gekommen: »Auffallend hoher Krankenstand«, Überlastung von 80 Prozent der Belegschaft, »arbeitsbedingte Schmerzen« gar bei 90 Prozent. »Knochenarbeit in der Gigafactory« hieß es. Die IGM-Betriebsgruppe bei Tesla initiierte daraufhin die Petition. 3.086 Kollegen haben sich laut Pressemitteilung der Gewerkschaft per Unterschrift hinter die Forderungen gestellt: »Längere Pausen, ein Ende der Unterbesetzung und den Stopp der Schikanen«. Sei die »Produktion des neuen Models Y voll hochgefahren«, berichteten die Gewerkschafter aus dem Betrieb, müsse die bereits wegen Personalmangel überlastete Belegschaft damit rechnen, dass »nicht einmal mehr Zeit zum Trinken oder zum Gang auf die Toilette« bleibe. Das halte »keiner bis zu Rente durch«.
Die Chefetage müsse »mit dem gesamten Betriebsrat Lösungen zur Entlastung« suchen, »statt rote Linien zu ziehen«, kommentierte IGM-Bezirksleiter Dirk Schulze die Entgleisungen Thierigs auf Nachfrage von jW. Bei allen anderen Autobauern seien »Pausen in unterschiedlichen Formen« gang und gäbe, deren Einführung bei Tesla also »kein Wettbewerbsnachteil, sondern allenfalls ein Schritt zur Angleichung an einen Standard«.
Das brandenburgische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz (MWAEK) erklärte auf Nachfrage, dass es nicht dafür zuständig sei, »unternehmensinterne Vorgänge, insbesondere wenn diese arbeitsrechtlicher Natur sind, zu bewerten«. Ein Sprecher verwies auf das Ministerium für Gesundheit und Soziales, dessen Pressestelle wiederum auf das MWAEK verwies. Letzteres beteuerte, es werde »auch weiterhin den hohen Stellenwert der betrieblichen Mitbestimmung betonen und dafür werben« – »auch gegenüber Tesla«. Von der Landesregierung Brandenburgs können die Lohnsklaven bei Tesla über warme Worte hinaus also keine nennenswerte Unterstützung erwarten.
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