Kanadischer Flirt
Von Jörg Kronauer
Passender hätte die Wahl des diesjährigen Partnerlandes der Hannover-Messe aus Sicht der Wirtschaft beider Länder kaum ausfallen können: Kanada nimmt in diesem Jahr diese Rolle ein. Es gehört zu den Ländern, die am stärksten von den Vereinigten Staaten abhängig sind: Fast die Hälfte seiner Importe kommt aus den USA; mehr als drei Viertel seiner Exporte gehen dorthin. Insofern wird es überdurchschnittlich hart von den US-Zöllen getroffen. Das führt – zusätzlich zu der Tatsache, dass die Trump-Administration das Land annektieren, es zur Aufgabe seiner Souveränität nötigen will – dazu, dass Kanada nach Wegen sucht, die Abhängigkeit von seinem übermächtigen, übergriffigen Nachbarstaat zumindest zu lindern.
Um in Zukunft ökonomisch »größere Resilienz« zu erlangen und seine Außenbeziehungen zu diversifizieren, ziehe Kanada eine engere Zusammenarbeit mit Europa in Betracht, erklärte schon Ende Februar Ryan Turnbull, Parlamentsabgeordneter der regierenden Liberalen Partei und Parlamentarischer Staatssekretär beim kanadischen Industrieminister. Gespräche dazu sind längst im Gang. Aktiv daran beteiligt ist laut eigenen Angaben Tjorven Bellmann, die Botschafterin Deutschlands in Kanada. »Wir wollen Teil der Lösung sein, sowohl dabei, neue Geschäftschancen zu schaffen, als auch bei der Diversifizierung des Handels«, erklärte Bellmann am 26. Februar im Hinblick auf die Hannover-Messe. Diese komme zeitlich gerade recht. Die Zahl der kanadischen Unternehmen, die sich zu der Industrieschau angemeldet haben, ist seit dem Amtsantritt von Donald Trump um 80 gestiegen und liegt nun bei gut 260. Viele seien auf der Suche nach neuen Lieferanten, neuen Kunden und neuen Investoren.
Aus Sicht der deutschen Industrie ist Kanada nicht zuletzt in Sachen künstliche Intelligenz (KI) interessant. Das Land habe sich »zu einem führenden Zentrum« für KI entwickelt, lobte unlängst der Chef von Siemens Canada, Faisal Kazi; es habe »Forschungseinrichtungen von Weltrang« und ein »florierendes Innovationsökosystem«. Zudem gibt es, wie die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) kürzlich konstatierte, eine enge Zusammenarbeit bei der Nutzung erneuerbarer Energiequellen: Kanada baut mit Windturbinen von Nordex, Siemens Gamesa und Enercon große Windparks; es hat perspektivisch auch die Produktion von »grünem« Wasserstoff im Blick, den es nach Deutschland liefern könnte. Nicht nur Europa rücke »enger zusammen«, erklärte Jochen Köckler, Chef der Hannover-Messe, Ende vergangener Woche, »sondern Europa auch mit Kanada«. »Jetzt ist die perfekte Zeit für uns als Partnerland«, fügte Christina Bilyk von der Canadian Association for Business Economics hinzu, die für ihr Land den Messeauftritt organisiert, »und ich denke, dass wir die wirtschaftlichen Beziehungen intensivieren können.«
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