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Aus: Ausgabe vom 23.04.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Mehr rechte Gewalt in Sachsen

Jünger und aggressiver

Sachsen: Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt registrieren deutlich mehr Angriffe. Verband berichtet von Anstieg um über 30 Prozent
Von Yaro Allisat, Leipzig
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Junge Neonazis grölen vor dem Hauptbahnhof in Leipzig Parolen gegen die dortige »Christopher Street Day«-Parade (17.8.2024)

In Sachsen gab es 2024 so viele Angriffe wie seit langem nicht mehr. Die Beratungsstellen für Opfer von rechter Gewalt haben für das vergangene Jahr insgesamt 328 Attacken, vor allem Bedrohungen und Körperverletzung, registriert. Der Freistaat verfolgt währenddessen aber nicht nur das »Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus« faktisch nicht weiter fort. Die CDU-geführte Regierung kürzt außerdem im kommenden Doppelhaushalt 2025/26 drastisch bei Angeboten für Menschen, die sich gegen rechts engagieren.

Wie aus den Zahlen der »Regionalen Arbeitsstellen und Angebote für Bildung, Beratung und Demokratie e. V. « (RAA – Sachsen e. V.) hervorgeht, die in der vergangenen Woche präsentiert wurden, beträgt der Anstieg 32,3 Prozent im Vergleich zu 2023. RAA-Geschäftsführerin Andrea Hübler sprach in einer Mitteilung des »Netzwerkes tolerantes Sachsen« von neuen wie alten organisierten neonazistischen Strukturen, deren Radikalisierung eine zunehmende Gefahr darstellte, wie nicht zuletzt die Razzia bei den »Sächsischen Separatisten« im vergangenen Jahr gezeigt habe.

Jene Gruppe, deren mutmaßliche Mitglieder derzeit in Untersuchungshaft sitzen, hatte einen »nationalsozialistischen Staat« in Sachsen errichten wollen. »Radikalisieren sich die nun aktiven jungen Rechten weiter und können langjährig organisierte Neonazis dies forcieren, besteht die Gefahr, dass sich weitere solche Gruppen finden, Anschläge planen oder mit Häuserkampf- und Schießtrainings auf einen Tag X vorbereiten«, warnte Hübler in der Mitteilung vom 15. April.

Der Anstieg sei laut dem RAA-Verein Sachsen flächendeckend zu registrieren, mit Schwerpunkten in den Landkreisen Zwickau, Leipzig, Bautzen, Görlitz und den Großstädten. Das Haupttatmotiv ist Rassismus. Die Zahl der Angriffe gegen als politische Gegner diffamierte Menschen stieg um 91 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, auch in den Europa-, Landes- und Bundestagswahlkämpfen. Aggressive Mobilisierungen gegen »Christopher Street Day«-Demonstrationen seien in ganz Sachsen an der Tagesordnung. So habe es 25 Prozent mehr rechte Attacken auf Menschen der LGBTQ+-Community gegeben. In mehreren Städten kam es zu gewalttätigen Übergriffen. Die Beratungsstellen sprechen von einer »zunehmend gewalttätigen rechten Raumnahme« insbesondere junger Akteure, die seit 2022 zu beobachten sei. Die Strukturen seien vor allem durch junge Kameradschaften und Kleinstparteien organisiert.

Vermutlich schlägt sich die angeheizte Stimmung in der Gesellschaft gegen Migranten und andere Minderheiten auch in der Statistik nieder. Der RAA warnt seit langem, dass Verschärfungen in der Migrationspolitik eine Art Brandbeschleuniger für den Rechtsruck auf der Straße seien.

Das Innenministerium äußerte sich auch auf jW-Anfrage nicht zu diesen Zahlen. CDU und AfD blieben bislang ebenfalls stumm. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, forderte hingegen, die sogenannten Sicherheitsbehörden – bei denen in Sachsen immer wieder Verbindungen zu rechten Strukturen festgestellt werden – zu stärken: »Die Zahlen verdeutlichen erneut, dass es einen klaren Fokus der Sicherheitsbehörden auf den Rechtsextremismus braucht«, teilte Lippmann mit.

Hübler forderte eine Stärkung des privaten Engagements gegen rechts. Seit Jahren wird bei Integrationsangeboten, Migrations- und Asylberatungen sowohl auf der Landes- als auch der Bundesebene gekürzt. So sprach der Sächsische Flüchtlingsrat e. V. noch im vergangenen Jahr von einem drohenden »Kahlschlag« in der Integrationsarbeit. Dieser droht den Vereinen jedes Jahr aufs neue.

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