Nazihoffnung begraben
Von Arnold Schölzel
Im April 1945 folgte eine schwere militärische Niederlage des faschistischen Deutschlands der anderen. Die Rote Armee befreite Ungarn und am 15. April Wien. Am 11. April erhoben sich unter Führung des von Kommunisten geleiteten illegalen Lagerkomitees die Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald und übergaben das Lager an US-Soldaten. Am 16. April begann die Rote Armee ihre Berliner Operation, die noch einmal geschätzt 170.000 Soldaten das Leben kosten sollte, darunter mehr als 50.000, die während der Schlacht an den Seelower Höhen im Oderbruch bis zum 19. April getötet wurden. Es wurde die größte Schlacht des Zweiten Weltkrieges auf deutschem Boden.
Am 25. April trafen sich bei Ketzin an der Havel westlich von Berlin Einheiten der 1. Weißrussischen Front unter Marschall Georgi Schukow und der 1. Ukrainischen Front unter Marschall Iwan Konew. Der Ring um die deutsche Hauptstadt war geschlossen.
Berühmte Fotografie
Am selben Tag begegneten sich an der Elbe erstmals Rotarmisten und US-Soldaten. Wie Konew nach dem Krieg in einem Interview mit dem Schriftsteller Konstantin Simonow berichtete (es wurde 2020 veröffentlicht, siehe Auszug in der jW-Beilage vom 6. Mai 2020), war am 24. April vereinbart worden, das Treffen an der Elbe stattfinden zu lassen. Bereits am 20. April hatten die Kommandeure beider Seiten festgelegt, welche Zeichen und Signale dabei zu verwenden waren: rote Leuchtraketen auf östlicher, grüne auf der westlichen Seite. Die erste Begegnung fand gegen Mittag am Mittwoch, dem 25. April, bei Strehla an der Elbe, etwa 30 Kilometer südlich von Torgau, statt. Am Nachmittag trafen sich dann auf der in der Nacht zuvor von der Wehrmacht gesprengten Elbbrücke von Torgau Patrouillen beider Seiten und machten am folgenden Tag mit dem berühmt gewordenen Bild des US-Fotografen Allan Jackson das Treffen zum Symbol für den Fortbestand der Antihitlerkoalition. Jackson meinte später, das Bild sei als »die zweitbeste Fotografie des Zweiten Weltkrieges« angesehen worden, nur das Foto, auf dem Soldaten die US-Flagge auf der Pazifikinsel Iwo Jima hissen, sei bekannter. Das trifft für die englischsprachige Welt vermutlich zu. Alles geschah zu einem Zeitpunkt, da nicht wenige in der Naziführung noch auf eine Spaltung der Alliierten setzten und auf einen gemeinsamen Krieg Deutschlands mit den Westalliierten gegen die Sowjetunion.
In dem Interview mit Simonow erläuterte Konew die militärische Bedeutung des Zusammentreffens: »So wurde die Front der faschistischen deutschen Streitkräfte zerrissen, die gegnerischen Armeen, die in Norddeutschland waren, wurden von den Truppen in Süddeutschland abgeschnitten. Die feindliche Front wurde damit in der Mitte Deutschlands in zwei Teile geteilt.
Taxifahrer aus Chicago
In den folgenden Tagen gingen Fotos aus Torgau um die Welt. Die Deutschland-Ausgabe der Stars and Stripes, der Zeitung der US-Armee, titelte am 28. April »Yanks meet Reds« – »Yankees treffen Rote« – und fuhr fort: »Das Reich wurde durch ein historisches Zusammentreffen geteilt.« Der britische Daily Express veröffentlichte am selben Tag Jacksons Foto unter der Schlagzeile: »Das Dritte Reich ist tot. Hitlers Imperium, in zwei Teile gespalten, im Endkampf«.
Einer der damals an dem Treffen teilnehmenden US-Soldaten, Joe Polowsky, Sohn jüdischer Emigranten aus Kiew, kämpfte nach 1945 dafür, dass der 25. April »Weltfriedenstag« wird. Der Taxifahrer hielt jährlich an diesem Datum auf einer Brücke in Chicago Mahnwache, was ihm in den 40er und 50er Jahren allerhand Ärger brachte. Er schrieb an die UNO, sprach mit Walter Ulbricht und nahm immer wieder zu Jahrestagen in Torgau an Gedenkfeiern teil. Schließlich verfügte er testamentarisch, dass sein Grab in der deutschen Stadt sein sollte. 1983 wurde er dort beerdigt – in einer Zeit, in der die NATO in Westeuropa in angeblicher Nachrüstung »Pershing II« und Cruise-Missiles stationierte. Im Unterschied zu heute waren allerdings alle damals im Bundestag vertretenen Parteien trotz Eiszeit zwischen Ost und West zu Gesprächen über die Grenzen hinweg bereit.
Hintergrund: Gedenkfeiern
Zum 80. Jahrestag des Treffens an der Elbe organisiert die DKP am Sonnabend, dem 26. April, in Trogau ihren traditionellen »Elbe-Tag«. Auftakt zur Demonstration ist eine Kundgebung um 11.30 Uhr am Fahnenmonument auf der östlichen Seite der Elbbrücke.
Bereits an diesem Freitag findet eine Gedenkveranstaltung der Stadt Torgau statt, an der auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teilnehmen wird. Am Donnerstag berichtete dpa, ihr habe ein Sprecher der russischen Botschaft in Berlin auf Anfrage mitgeteilt, dass Botschafter Sergej Netschajew »der Einladung der Stadt Torgau Folge leisten und an den geplanten Veranstaltungen teilnehmen« wird. Die US-Botschaft habe dagegen ausgerichtet, keinen Vertreter zu entsenden.
In der vergangenen Woche hatte Netschajew auf Einladung von Landkreis und Stadt Seelow an der Gedenkfeier auf den Seelower Höhen teilgenommen und war herzlich empfangen worden. Das Auswärtige Amt hatte zuvor in einer Handreichung davon abgeraten, offizielle russische Vertreter zu Kriegsgedenkveranstaltungen zuzulassen.
Am 75. Jahrestag 2020 hatten der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump, der damals in seiner ersten Amtszeit war, den Jahrestag noch in einer gemeinsamen Erklärung gewürdigt. Darin hieß es: »Der ›Geist der Elbe‹ ist ein Beispiel dafür, wie unsere Länder Differenzen beiseiteschieben, Vertrauen aufbauen und für eine größere Sache zusammenarbeiten können.«
Zwei Jahre später wurden die Gedenkfeiern in Torgau dann kurzfristig abgesagt. Als Grund wurde das russische Eingreifen in den Ukraine-Krieg zwei Monate zuvor angegeben. (jW/dpa)
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Photo News/IMAGO23.04.2025
Antikommunistische Flut
- 01.08.2020
Anno … 32. Woche
- picture alliance/akg-images16.04.2020
Die Schlacht um Berlin
Regio:
Mehr aus: Schwerpunkt
-
»Torgau steht für Frieden mit Russland«
vom 25.04.2025