Vor Gericht
Von René Lau
Zeiten wie diese sind hart für Strafverteidiger und Beschuldigte. Die große Koalition schränkte Rechte für Strafverteidiger ein, unter der Ampel wurde es nicht besser. Der Koalitionsvertrag der designierten Merz-Regierung verheißt ebenfalls nichts Gutes. Polizeirechte werden gestärkt, staatliche Überwachungsphantasien weitergeträumt. Gleichwohl verzweifle ich nicht, denn allwöchentlich erlebe ich in Gerichtssälen, wie lebendig der Rechtsstaat ist.
Eines seiner Elemente im Strafverfahren ist das Mündlichkeitsprinzip: Alles, was zur Entscheidungsfindung herangezogen werden soll, muss Gegenstand der Hauptverhandlung sein. Jede schriftliche Zeugenaussage, jedes Foto, jedes Video aus der Akte. Das ist gut so. Die Öffentlichkeit am Inhalt der Akten teilhaben zu lassen, ist eine vernünftige Konsequenz aus unserer Geschichte, in der Urteile nicht öffentlich einsichtig waren.
Mitunter zeitigt das Mündlichkeitsprinzip überraschende Ergebnisse. In den vergangenen Wochen hatte ich mehrere Strafverfahren mit angeklagten Fußballfans. Die in den Akten stehenden Aussagen der polizeilichen Berufszeugen ließen wie so oft nichts Gutes ahnen. Aber: Der Inhalt der Akte ist immer nur das Vorspiel. Vor Gericht, also in der Verhandlung selbst, werden Erinnerungslücken deutlich, kommt es zu Relativierungen, Videos oder Fotos führen dazu, dass zeugenschaftliche Vermerke der Polizeibeamten ad absurdum geführt werden. So endete auch keines der oben erwähnten Verfahren mit dem staatsanwaltschaftllich geforderten Strafmaß – Verfahren wurden eingestellt, auch gab es Freisprüche. Der Aufwand ist hoch, sicher, aber die Arbeit lohnt, wenn die Mandanten am Ende glücklich sind.
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