Rotlicht: Fünfte Kolonne
Von Reinhard Lauterbach
Wer den Begriff geprägt hat, ist nicht eindeutig überliefert. Aber wann er entstanden ist, darüber herrscht Einigkeit: in den ersten Monaten des Spanischen Bürgerkriegs, im Herbst 1936. Damals marschierten die Franco-Putschisten aus vier Richtungen – in »cuatros columnas«, vier Kolonnen, man kann es auch als (Marsch-)Säulen übersetzen – auf das von den Republikanern gehaltene und erbittert verteidigte Madrid. Manche behaupten, das Wort von der »fünften Kolonne«, nämlich den unerkannt in der Hauptstadt lebenden Franquisten, die bei passender Gelegenheit zu aktivieren seien, stamme von dem Putschgeneral Emilio Mola. Diese Version ist aber apokryph und hat keine Belege in den Quellen. Sicher ist, dass die spanische Kommunistin Dolores Ibárruri (»La Pasionaria«) die Metapher später benutzt hat, um ihrerseits die Anhänger der Republik zu mobilisieren.
Das Wortbild von den fünf Kolonnen war 1936 neu, aber die Vorstellung eines verborgenen inneren Feindes war es nicht. Sie lässt sich historisch bis mindestens auf die Französische Revolution zurückverfolgen, wo das aufständische Volk »die Aristokraten an den Laternenpfahl« wünschte. In Russland gründeten die Bolschewiki gerade einmal sechs Wochen nach dem Oktoberaufstand (25. Oktober nach damals in Russland geltendem julianischem, 7. November nach gregorianischem Kalender) am 20. Dezember 1917 eine »Sonderkommission zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage«. Die Anfangsbuchstaben des Wortes »Sonderkommission« (tschreswytschainaja komissija) wurden prägend für den Namen der Institution, die über Jahre als »Tscheka« bekannt – oder je nach Standpunkt berüchtigt – wurde. Später wurde in der Sowjetunion – und in ihrem Gefolge der DDR – der »Tschekist« zum Sinnbild des selbstlosen, an der revolutionären Sache orientierten, Funktionärs erklärt. Dass dieses wie alle solche Bilder nicht ausschließlich idealisierende Elemente enthielt, ist klar und konnte wohl auch nicht anders sein.
»Fünfte Kolonnen« waren aber nicht auf Situationen von Revolution und Bürgerkrieg beschränkt. Insbesondere die Weimarer Republik und nach ihr Nazideutschland hielten sich solche Organisationen. Im neuentstandenen Polen, das quer durch die Berliner politische Elite als »Saisonstaat« betrachtet wurde, wurden Verbände der nach 1919 dort verbliebenen Deutschen finanziert und auf mögliche Subversionsakte im Falle eines bewaffneten Konfliktes orientiert. Das Naziregime konnte hier auf Vorbereitungen zurückgreifen, die schon vor 1933 begonnen hatten.
Doch im Zuge der Kriegsvorbereitung nahm die Arbeit mit »fünften Kolonnen« aus sogenannten »Volksdeutschen« nach 1933 ganz andere Ausmaße an. In Österreich verübten örtliche Nazis schon 1933 Hunderte Anschläge, deren Intensität sich bis zu einem Putschversuch im Sommer 1934 steigerten. In der Tschechoslowakei spielten die Organisationen der »Sudetendeutschen« die Rolle der »fünften Kolonne« und führten sich als verfolgte deutsche Minderheit auf, deren angebliche oder wirkliche Unterdrückung durch die demokratische Tschechoslowakei Hitler den Vorwand für seine Annexionspläne lieferte. Und in Polen wurde der »Volksdeutsche Selbstschutz« aufgebaut, eine ausgesprochene Bürgerkriegstruppe mit paramilitärischen Strukturen, die beim vorbereiteten Kriegsbeginn polnische Verteidigungsstellungen sabotierte. Auf Grundlage von Nachbarschaftslisten, die dieser »Volksdeutsche Selbstschutz« nach Berlin lieferte, entstand im Reichssicherheitshauptamt das »Sonderfahndungsbuch Ost«, das wiederum nach der deutschen Besetzung Polens die pseudojuristische Basis für massenhafte Erschießungen »deutschfeindlicher Elemente« wurde.
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