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Aus: Ausgabe vom 10.05.2025, Seite 11 / Feuilleton
Rock

Nix für den Cavern Club

Unsung Heroes (31): Janus
Von Frank Schäfer
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Zurück in die Erde mit dir!

Janus sind Briten, aber in Krefeld stationiert, machen also erst mal die lokalen Klubs und Discos im Rheinland unsicher, bevor sich Produzent Rainer Pietsch ihrer annimmt und im Januar 1972 in den Electrola Studios, Köln, ihr Debütalbum aufnimmt. Pietsch ist eine interessante Figur, er hat mit den Lords, Michael Holm, aber auch den Progrockern Triumvirat gearbeitet und der großen Joy Fleming, Deutschlands Stimme für den Grand Prix Eurovision de la Chanson 1975, ihren Hit »Ein Lied kann eine Brücke sein« auf den Leib geschrieben. Der Mann kennt keine Scheuklappen und hört was in der jungen Soldatentruppe.

Ihren Namen trägt die Band nicht umsonst. Janusköpfig ist es allemal, was sie auf »Gravedigger« musikalisch ins Werk setzen. Beim 20minütigen Titelstück, das die ganze zweite Seite einnimmt, intonieren sie einen zurückgelehnt säuselnden Hippie-Folk mit elegischen Chören, sanft im Wind wehenden Keyboard-Vorhängen, getupften Percussions und Roy Yates an der akustischen Gitarre, der mit geschmackvoll-filigranem Fingerpicking überzeugt. Aber Keyboarder und Hauptsongwriter Colin Orr greift auch mal zur Stromgitarre und entpuppt sich dabei als echter Vierschrot, der den Sound physisch spüren will. Er hat keine Technik, aber viel Zutrauen und führt so seine Kombattanten, Drummer Keith Bonthrone, Bassist Mick Pederby und die beiden Vokalisten Bruno Lord und Derek Hyatt, genauso souverän durch heiß brutzelnden Garage Rock mit ein paar psychedelischen Koloraturen.

Ein ziemlich unbeständiges Gemisch also, das bei Zimmertemperatur an die frühen Fleetwood Mac von »Albatross« erinnert, im erhitzten Zustand an Blue Cheer oder MC 5, und zwischendurch auch mal an eine theatralische Mod-Band wie The Who. Erstaunlich, was damals alles auf einem Major Label wie Harvest erscheinen konnte. Andererseits hielt sich das Risiko auch in Grenzen, Pietsch braucht nur 24 Stunden Studiozeit für das gesamte Album, einschließlich Endmix. Mir gefällt vor allem das kurze »I Wanna Scream«, ein schönes Beispiel für Proto-Metal in den ganz frühen Siebzigern. Auf der Bühne wird der Songs noch mehr geknallt haben.

Häufig sieht man sie dort allerdings nicht. Sie leben eine Weile in den Niederlanden und treten dort auch gelegentlich auf, aber große Ambitionen lassen Janus nicht erkennen, es geht wohl eher darum, die große Hippie-Party noch eine Weile am Laufen zu halten. Ende 1973 tauchen sie dann mal wieder in ihrem Heimatland auf und spielen ein paar Gigs vor allem an Universitäten. Es ist auch ein zweites Album in Planung, aber das erscheint schon nicht mehr. Immerhin, für eine Fußnote in der Liverpooler Rockgeschichte sind sie noch gut. Man schmeißt sie aus dem legendären Cavern Club, in dem die frühen Beatles ein festes Engagement hatten. Zu laut und zu heavy! Der Legende nach sind Janus die einzige Band, die das von sich behaupten kann.

In den frühen Neunzigern, als die Retromaniacs »Gravedigger« wiederentdecken und auf dem Secondhandmarkt irrwitzige Preise für diese Heavy-Inkunabel ausgeben, lässt Orr seine Band wiederaufleben und veröffentlicht nun relativ regelmäßig Alben bei Indie-Labels. Schließlich kann er sogar Harvest/EMI breitschlagen, mit neuen Musikern das »verlorene« 1973er Album »Under the Shadow of the Moon« zu rekonstruieren. Gerade unternimmt er einen erneuten Versuch, die dicke alte Janus-Kuh zu melken, aber heraus kommt nur noch Käse. Orr vergreift sich nämlich an den alten Bändern, verschlimmbessert sie mit neuen Gesangs- und Gitarrenspuren und mischt zu allem Überfluss auch noch aktuelleres, orientalisch angekränkeltes Songmaterial darunter. Völlig absurde Idee. Auf »Gravedigger (Hybrid)« ist die Patina jetzt endgültig ab, aber darum ging es doch immer schon vor allem.

Janus: »Gravedigger« (Harvest)

Janus: »Gravedigger (Hybrid)« (MIG)

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