Leserbriefe
Was wählen? Was tun?
Zu jW vom 25. Mai: »Wahl->Korrespondenz<«
Die PDS soll sich nicht täuschen. Hanfried Müllers Fragen an Lothar Bisky sind auch die, die Leute aus anderen Altersgruppen und anderer gesellschaftlicher Herkunft an die PDS stellen. Die Dankbarkeit für jeden Händedruck eines SPD-Mitglieds erscheint nicht als »linke Bündnispolitik«, sondern als Ausdruck des Bemühens, ein anerkanntes Mitglied der Politikverwaltung des kapitalistischen Betriebssystems der BRD zu werden. Historisch ungewöhnlich ist dabei das Tempo, mit dem im Zeitraffer die sozialdemokratische Transformation nachvollzogen wird. Realismus als Unterwerfung und Vorteil, der keiner ist, an dem die Menschen zuschanden gehen, sind alles geworden.
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, aber auch: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein und die vorenthaltenen wahren und erhellenden Worte, die zu Bewußtsein, auch sozialistisch-kommunistischem Bewußtsein verhelfen, steigern das konkrete und das umfassende Elend. Die Vorenthaltung lindert nicht. Trotz aller Vorteilsakrobatik. Die jW sollte von Bisky eine Antwort, von und in der PDS eine Auseinandersetzung zunächst mit Hanfried Müllers Fragen mit Nachdruck anmahnen (Ihr könnt beides zum zwingenden Punkt machen!) und die Frage: Was wählen? zur Frage: Was tun? verlängern. Mir ist es ähnlich wie Hanfried Müller schwer geworden, noch einmal PDS zu wählen. Gleichzeitig ist das Wahlthema schon deswegen nicht das zentrale, weil es mit einem - etwa auch von den Winden der schrecklichen Erfurter Erklärung gestützten - Schröder nicht milder, sondern schlimmer wird. Schröder und die Kräfte, die ihn stützen, bedeuten: Politik nach Thatcher-geschultem Blair im Verschnitt mit Haider.
Michael Brühl, Wiesbaden
Extremistisch
Zu jW vom 23./24. Mai: Interview mit Klaus Höpcke »Antwortet Vogel ohne Worte?«
In Ihrem Interview kommt Klaus Höpcke darauf zu sprechen, wie der CDU die Fähigkeit abhanden gekommen ist, zwischen extremistisch und radikal zu unterscheiden. Es wird Sie interessieren, daß am gleichen Tag die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Leserbrief veröffentlichte, in welchem Daniel Schikora, München, der PDS-Aktivitäten ausdrücklich ablehnend gegenüber steht, dennoch der »bürgerlichen Mitte« den Vorwurf macht, diese Aktivitäten »mit einer Verurteilung des >Radikalismus< beantwortet zu haben - so auch Bundespräsident Herzog ausgerechnet in seiner Rede zum 150. Jahrestag der bürgerlichen Revolution, deren Fortsetzung in den Insurrektionen unter anderem in Baden von >Radikaldemokraten<, wie Carl Schurz, Wilhelm Liebknecht und Friedrich Engels, wesentlich getragen wurde«. Schikora dazu: »Kriterium der Koalitionsfähigkeit in einer freiheitlichen Republik ist nicht gesellschaftlich- politische Repression sprengender Radikalismus, sondern die Gegnerschaft zu staatsbürgerlichen Errungenschaften und die Verharmlosung totalitärer Vernichtungs- und Machtsicherungssysteme.«
André Blechschmidt, Erfurt
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