Offenbar Tausende Tote in Kongo-Brazzaville
Bei den Kämpfen in Kongo-Brazzaville sind seit Beginn der Feindseligkeiten vor einer Woche wahrscheinlich mehrere tausend Bewohner getötet worden. Dies berichtete der französische Journalist Alain Dugrand bei seiner Rückkehr aus dem zentralafrikanischen Land am Mittwoch in Paris.
Nach dem Tag und Nacht andauernden Beschuß von Wohnvierteln der Millionenstadt Brazzaville müsse mit mindestens 10 000 Toten gerechnet werden, sagte Dugrand unter Berufung auf französische Soldaten. Auch andere evakuierte französische Zivilisten zeichneten ein Bild des Grauens.
In der Hauptstadt, in der sich Soldaten der Regierungsarmee und Milizen des Oppositionsführers Denis Sassou Nguesso seit Donnerstag voriger Woche bekämpfen, herrscht nach Aussagen des Journalisten völlige Anarchie. Plünderungen und Vergewaltigungen durch Soldaten und bewaffnete Zivilisten seien an der Tagesordnung, sagte Dugrand. Viele der Täter stünden sichtbar unter Drogeneinfluß. Der Journalist hielt sich in Brazzaville auf, um ein Buch über das Land zu schreiben. Dugrand berichtete außerdem über ein anti-französisches Klima. »An der Sammelstelle für Evakuierte, die von französischen Soldaten nahe dem Flughafen eingerichtet wurde, bedrohten uns rund hundert Leute, von denen einige mit Kalaschnikow- Gewehren in die Luft schossen.«
Ein Geschäftsmann sagte nach seiner Rückkehr in Paris: »In Brazzaville hat ein wahres Blutbad stattgefunden.« Eine Frau erzählte, sie habe auf der Straße über Leichen steigen müssen, um die Lastwagen der französischen Streitkräfte zu erreichen. Kinder hätten durch die Schreckensszenen einen Schock erlitten. »Die Häuser sind völlig zerstört«, sagte ein anderer Franzose.
Die Franzosen stellten in Brazzaville mit bisher etwa 2 000 Einwohnern das größte Kontingent an westlichen Ausländern. Die französische Luftwaffe flog nach eigenen Angaben seit Beginn der Evakuierungsaktionen am Montag rund 1 800 Ausländer aus Brazzaville aus, davon mehr als zwei Drittel Franzosen.
Unterdessen schließt das französische Militär ein Eingreifen in die Kämpfe in Kongo-Brazzaville aus. Ein Militärsprecher reagierte damit auf eine Drohung des kongolesischen Außenministers Arsene Tsaty-Mboungou, die französischen Streitkräfte gegen die Rebellen von Expräsident Denis Sassou Nguesso zu Hilfe zu rufen. UN- Generalsekretär Kofi Annan äußerte die Befürchtung, die Kämpfe in Afrika könnten sich ausbreiten. Nach Einschätzung Annans könnten die Konflikte in Kongo- Brazzaville und im früheren Zaire auch zu einem Zusammenbruch des wackeligen Friedens in Angola führen.
»Ich mache mir Sorgen wegen einer Art von Domino-Effekt«, erklärte Annan. Der Kommandeur der UN-Friedenstruppe in Angola, das im Süden an Kongo grenzt, meldete bereits schwere Gefechte aus Luanda Norte.
Wie am Mittwoch nachmittag bekannt wurde, soll der Präsident von Kongo-Brazzaville, Pascal Lissouba, seinen Truppen eine sofortige Waffenruhe befohlen haben. Dies soll in einer Rede an die Nation verbreitet worden sein.
AP/AFP/jW
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