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Nothilfe als Massenproblem

Kommunen warnen vor Folgen steigender Sozialhilfeausgaben

Der Bund soll sich angesichts der weiter steigenden Zahl von Sozialhilfebeziehern an den Kosten der staatlichen Unterstützung beteiligen. Das fordern laut Agenturberichten die kommunalen Spitzenverbände. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hatte eine Zunahme der Betroffenenzahl um 7,1 Prozent auf 2,92 Millionen gemeldet. Seit 1975 hat sich ihre Zahl mehr als vervierfacht.

Viele Städte und Gemeinden seien personell und finanziell überlastet, betonte Ludwig Fuchs, Referent beim Deutschen Städtetag, gegenüber ADN. Die Sozialhilfeausgaben verhinderten zunehmend, daß in den Kommunen notwendige Mittel für wichtige Investitionen, aber auch für Jugendarbeit, Sport und Kultur eingesetzt werden könnten. Die einstige Nothilfe für den Einzelfall im sogenannten sozialen Netz müsse jetzt ein »Massenproblem« abfangen.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, erwartet für dieses Jahr nicht mehr, daß sich die Situation entspannt. Als »besonders prekär« bezeichnete er die Lage der ostdeutschen Kommunen mit ihren viel geringeren Einnahmen als bei den westdeutschen Städten und Gemeinden. Landsberg sieht in der Massenarbeitslosigkeit die Hauptursache der Entwicklung. Forderungen, Sozialhilfebezieher verstärkt zur Arbeit heranzuziehen, bezeichnete er als »Wahlkampfscharmützel«. Mit gegenwärtig 250 000 kommunal beschäftigten Hilfebeziehern sei außerdem die Grenze erreicht.

Politiker verschiedener Parteien machen ebenfalls auf die Folgen des Problems aufmerksam. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD), sieht darin eine Quelle für tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. Heidi Knaacke-Werner, Vizevorsitzende der PDS- Bundestagsgruppe, kritisierte: »Die Bundesregierung schwadroniert über den Aufschwung, und in Wirklichkeit steigt die Zahl der Menschen, denen es verweigert wird, von ihrer Arbeit zu leben.«

Ministerpräsident Beck machte besonders auf die Situation von betroffenen Kindern und Jugendlichen aufmerksam. Er verband das allerdings mit dem Hinweis, diese würden so nicht lernen, »daß man von eigener Arbeit leben muß«. 21,8 Prozent der Kinder in Westdeutschland und 19,7 Prozent ihrer ostdeutschen Altersgenossen lebten unterhalb der Armutsgrenze. Darauf wies Wulf Bauer von der Stiftung zur Förderung des Kinderschutzes hin. Beck betonte, daß die vielbeschworene Eigeninitiative der Betroffenen nicht ausreichen würde. Sie kämen ohne Hilfe von außen nicht mehr aus dem Teufelskreis heraus.

ADN/AP/jW

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