75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 22. November 2024, Nr. 273
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 11.04.2006, Seite 9 / Inland

Deutliche Tarifsteigerungen gefordert

»Wirtschaftsweiser« Bofinger: Lohndumping ursächlich für anhaltende Binnenmarktschwäche
Peter Bofinger, Mitglied des von der Bundesregierung berufenen Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (bekannt als »Rat der Wirtschaftsweisen«) hat die deutschen Unternehmer zu Lohn- und Gehaltserhöhungen aufgefordert. Früher sei es die Regel gewesen, daß die Entgelte regelmäßig erhöht worden seien, heute sei es dagegen die Ausnahme, kritisierte Bofinger am Montag im Deutschlandradio Kultur. »Da gibt es ein grundlegendes Problem in der Haltung der Arbeitgeber, da man zur Lohnerhöhung nicht mehr bereit ist«, bemängelte er. In der derzeitigen Situation seien Steigerungen von 2,5 bi 3,0 Prozent gerechtfertigt.

»Wir haben in Deutschland eine einzigartige Geiz-ist-geil-Mentalität, sowohl bei den öffentlichen wie auch bei den privaten Arbeitgebern«, sagte Bofinger dem Sender; es werde suggeriert, daß das Überleben Deutschlands in der globalen Welt nur zu erreichen sei, wenn man die Löhne am besten gar nicht mehr erhöhe oder sogar absenke. »Das ist aber ein Irrweg, der nur in Deutschland so gegangen wird«, warnte er. Das habe unter an-
derem in Deutschland zu der einzigartigen Situation geführt, daß es seit Jahren eine stagnierende Binnennachfrage gebe, die die gesamtwirtschaftliche Entwicklung negativ beeinflusse.


Auch als Ergebnis der aktuellen Tarifauseinandersetzungen forderte Bofinger eine höhere Bezahlung. Für die Metall- und Elektrobranche verwies er auf die im vergangenen Jahr deutlich gestiegene Produktivität. Im öffentlichen Dienst entspreche die geforderte Mehrarbeit von täglich 18 Minuten einer Lohnsenkung um knapp vier Prozent. »Da muß man sich ökonomisch fragen: Wie ist es zu rechtfertigen, eine Lohnsenkung um fast vier Prozent?« so der Wirtschaftsexperte weiter. (ddp/jW)