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Aus: Ausgabe vom 22.06.2006, Seite 9 / Inland

Standort Eisenhüttenstadt erneut bedroht

IG Metall fürchtet Arbeitsplatzverluste durch Arcelor-Severstal-Fusion
Die Fusionspläne des Stahlkonzerns Arcelor mit dem russischen Konkurrenten Severstal gefährden nach Einschätzung der IG Metall knapp 3000 Arbeitsplätze in Deutschland. »Die Risiken sind nicht kalkulierbar«, sagte der Stahlbeauftragte der Gewerkschaft, Friedhelm Matic, dem Tagesspiegel (Mittwochausgabe). Diesen Eindruck habe er bei einem Gespräch bei Severstal in Moskau gewonnen. Betroffen seien neben dem Standort Bremen vor allem die Arcelor-Tochter Eko-Stahl in Eisenhüttenstadt. »Eko war für Arcelor immer der Brückenkopf nach Osteuropa«, sagte Matic. »Aber niemand braucht zwei Brückenköpfe, einen an der Oder und einen in Rußland.« Berechnungen der IG Metall zufolge hat Severstal in Rußland außerdem Überkapazitäten von drei Millionen Tonnen Stahl im Jahr. Diese Überkapazitäten könnten nach einer Fusion zum Nachteil von Westeuropa ausgelastet werden, weil die Produktion in Rußland deutlich günstiger ist. Eine Million Tonnen Stahl entsprechen Matic zufolge knapp 1000 Arbeitsplätzen. Arcelor beschäftigt 15000 Mitarbeiter in Deutschland, darunter 3000 in Eisenhüttenstadt. Der französisch-luxemburgische Konzern will mit Severstal fusionieren, um eine feindliche Übernahme durch das weltweit größte Stahlunternehmen Mittal abzuwehren. Nach Bekanntgabe der Fusionspläne im Mai war die IG Metall zunächst noch optimistisch gewesen.

Derweil ist die geplante Fusion offenbar erneut ins Stocken gekommen. Unter dem Druck einiger Großaktionäre will die Führung des Stahlkonzerns Arcelor das Fusionsvorhaben für die Anleger attraktiver ausgestalten »Die Transaktion wird verbessert«, sagte Arcelor-Chef Guy Dollé am Dienstag am Rande einer Konferenz in New York. Er räumte ein, daß einige Aktionäre sich besorgt gezeigt hätten und derzeit entsprechenden Druck auf das Management ausüben würden.


Arcelor hatte zuvor kurzfristig eine für Mittwoch geplante außerordentliche Hauptversammlung abgesagt. Dort sollten die Anteilseigner eigentlich einem groß angelegten Aktienrückkauf zustimmen, um Arcelor-Papiere zu verteuern und so die als feindlich bewertete Übernahme durch den Stahlkonzern Mittal zu erschweren. Aktionärsschützer versuchen auf dem Gerichtsweg nun auch, die geplante Fusion mit Severstal zu verhindern. Die außerordentliche Hauptversammlung ist von der Arcelorspitze nun für den 30.Juni angesetzt worden. Dort soll über den Zusammenschluß mit den Russen abgestimmt werden.(AFP/jW)