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Aus: Ausgabe vom 15.07.2006, Seite 9 / Ausland

Airbus verliert an Boden

Lieferschwierigkeiten und Führungswechsel lassen europäischen Flugzeugbauer weiter hinter Boeing zurückfallen. US-Konkurrent punktet mit kerosinsparender Neuentwicklung
Bei Christian Streiff laufen die Turbinen auf Hochtouren. Nur zwei Wochen nach seiner Kür zum Airbus-Chef muß er den ins Trudeln geratenen Flugzeugbauer auf der am Montag beginnenden Luftfahrtmesse im britischen Farnborough repräsentieren. Auf dem wichtigsten Branchentreffen des Jahres soll der Franzose zeigen, daß Airbus trotz der schweren Krise in der deutsch-französischen Führung seines Mutterkonzerns EADS handlungsfähig ist und gegenüber dem Erzrivalen Boeing aus den USA Boden wettmachen kann.

Um dem prall gefüllten Auftragsbuch von Boeing etwas entgegenzuhalten, dürfte Airbus auf der einwöchigen Messe Bestellungen präsentieren, wie sie traditionell für derartige Anlässe zurückgehalten werden; Analyst Yan Derocles von Oddo Securities rechnet mit »fünfzig bis hundert« Ordern. Vertriebschef John Leahy will trotz der Verzögerungen bei der Auslieferung des Riesen-Airbus A380 bis Jahresende 20 neue Aufträge für die größte Passagiermaschine aller Zeiten einsammeln. Seit Anfang 2006 gab es hier keinen einzigen frischen Auftrag mehr. Gemunkelt wird, daß die Lufthansa ihre Bestellung von bisher 15 Stück in Farnborough aufstocken könnte.

Den neu entstandenen Abstand zum ewigen Konkurrenten Boeing kann Airbus aber nicht so rasch wieder wettmachen. Seit Jahresanfang verzeichnet der US-Konzern 480 neue Bestellungen, vier Mal so viele wie die Europäer. Airbus habe Boeing unterschätzt, räumte der deutsche EADS-Kochef Thomas Enders ein. Der Flugzeugbauer mit Hauptsitz in Toulouse hatte sich offenbar rasch an die Rolle des Marktführers gewöhnt, nachdem er den Branchenriesen Boeing mehrere Jahre in Folge überflügelt hatte.


Der US-Konzern setzte dagegen erfolgreich auf eine besonders kerosinsparende Neuentwicklung: Die Boeing 787 Dreamliner soll ab 2008 rund 250 bis 300 Passagiere vor allem auf den prestigeträchtigen Interkontinentalverbindungen fliegen. Das Konzept kommt in Zeiten immer neuer Ölpreisre­korde an. »Fast 400 Bestellungen noch vor der Vorstellung der Maschine – das gab es noch nie«, betonte Analyst Richard Aboulafia von der Teal Group. Die Antwort von Airbus soll A350 heißen – vielleicht wird der Jet aber nicht nur nach Kundenkritik von Grund auf verändert, sondern auch noch kurzfristig umgetauft, etwa in A370. Vom neuen Konzernchef Streiff erwartet die Branche in Farnborough klare Worte zu dem Programm. Enders mühte sich dagegen, den Druck etwas zu mindern: Sein Haus sei an keinen Zeitplan gebunden, versicherte er im Vorfeld. Angesichts der Probleme mit A380 und A350 sowie dem Ärger in der Konzernspitze mit vom Abgang von Enders’ französischem Partner Noël Forgeard sowie vom ersten deutschen Airbus-Chef Gustav Humbert müssen die Europäer nicht nur Marktanteile, sondern vor allem Vertrauen zurückgewinnen.

(AFP/jW)