Nikaragua: Nationaler Dialog als Monolog
Zum Auftakt des »Nationalen Dialogs« in Nikaragua, den die sandinistische Opposition boykottiert, haben am Montag die seit Tagen andauernden regierungsfeindlichen Proteste der Studenten einen neuen Höhepunkt erreicht. Nach Angaben von Helfern des Roten Kreuzes wurden bei Straßenschlachten in der Haupstadt Managua mehr als 30 Studenten und mindestens zwei Polizisten verletzt. Mehrere hundert Studenten standen starken Einheiten der Polizei in der Nähe der Universität von Managua und an nördlich gelegenen Landwirtschaftsuniversität gegenüber. Die Polizei ging mit Tränengas und Hartgummigeschossen gegen die Demonstranten vor, die Studenten schleuderten Steine und Molotow-Cocktails.
Die Proteste der Studenten, die am Donnerstag begonnen hatten, richteten sich gegen drastische Kürzungen im Bildungsetat, die Präsident Arnoldo Aleman veranlaßt hatte. Hintergrund ist allerdings der von Aleman initiierte »Nationale Dialog«, der am Montag ohne Beteiligung der Nationalen Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) begann. Bei den Verhandlungen sollen, so der Regierungs-Monolog, Wege aus der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Krise des zentralamerikanischen Landes gefunden werden.
Die Sandinisten knüpften ihre Teilnahme an Zusagen der Regierung, die Aleman jedoch nicht einging. Sie forderten von der Regierung, Entlassungen im öffentlichen Sektor zu stoppen, den Bildungsetat aufzustocken und mehreren tausend Bauern Landbesitz zu verschaffen. Sandinistenchef und Ex-Präsident Daniel Ortega begründete das Fernbleiben seiner Partei mit den Worten: »Wir sind für einen wahrhaften Dialog, der zu einer nationalen Übereinkunft führt. Aber wir beteiligen uns nicht an dieser Sache, die sie Dialog nennen.« Ortega machte Aleman für die Eskalation der Gewalt in den vergangenen Tagen verantwortlich.
Zu dem »Nationalen Dialog« waren Vertreter der Parteien, der Universitäten, der Gewerkschaften, der Kirchen und von Gruppen der Zivilgesellschaft aufgerufen. Die Sandinisten sind die zweitstärkste politische Kraft in Nikaragua, weshalb der Dialog ohne ihre Beteiligung von Beobachtern als sinnlos angesehen wird.
jW/AFP
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