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Aus: Ausgabe vom 02.07.1997 / Feuilleton

»Spiegel«-Herausgeber antwortet nicht

jW lud Rudolf Augstein zum Disput in Sachen Reichstagsbrand ein

Zwei Wochen hat sich Rudolf Augstein Zeit genommen, um keine Antwort auf einen Brief der junge-Welt-Redaktion zu schreiben. In dem Brief, dessen Empfang Augsteins Büro am 16. Juni quittierte, war der Spiegel-Herausgeber zu einer Diskussion eingeladen worden. Der Vorschlag der jW-Redaktion: Öffentlich sollten die Vorwürfe gegen Augstein debattiert werden, die der Düsseldorfer Publizist Hersch Fischler in der jW-Serie »Der Reichstagsbrand und der Spiegel« erhoben hatte.

Fischler schrieb dort u. a. über die Zusammenarbeit des Spiegel mit dem Kriminalisten Walter Zirpins, der 1933 zu den Ermittlern beim Reichstagsbrand gehörte und der 1940/41 den Nazi-Goldraub im Ghetto von Lodz organisierte. Das Nachrichtenmagazin setzte sich Anfang der fünfziger Jahre für den Nazi-Kriminalisten Zirpins ein, der dann 1951 faktischer Leiter des Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen wurde. Noch im selben Jahr veröffentlichte er unter seinem Namen eine Exklusivgeschichte im Spiegel. Als Zirpins in Gefahr kam, ihm könne in einem Ermittlungsverfahren ein Meineid gegen Marinus van der Lubbe im Reichstagsbrandprozeß 1933 nachgewiesen werden, veröffentlichte der Spiegel ab Oktober 1959 eine umfangreiche Geschichtsserie. Ihr Thema: der Reichstagsbrand, ihr Autor: ein Mann namens Fritz Tobias, der mit Zirpins im LKA Niedersachsen zusammengearbeitet hatte. Die Serie sollte die Alleintäterschaft van der Lubbes bei der Brandstiftung beweisen und wirkte, so Hersch Fischler in der jW, »für Dr. Zirpins wie eine maßgeschneiderte Entlastung gegen mögliche Vorwürfe«. Augstein schrieb damals im Nachwort der Serie, damit sei das Thema Reichstagsbrand erledigt, es sollte »aus und vergessen« sein. »Aus und vergessen« ist es aber nicht, wie auch die jüngsten Auseinandersetzungen um die geplante Umbenennung des Georgi-Dimitroff-Platzes vor dem ehemaligen Reichsgericht in Leipzig zeigen. Außerdem besteht Bedarf nach Aufklärung darüber, warum Rudolf Augstein, einer der einflußreichsten Verleger und Publizisten der Bundesrepublik, mit Naziverbrechern wie Zirpins kooperierte. Da der Spiegel- Herausgeber auf das Angebot zur Diskussion nicht antwortet, bleibt derzeit nur der Schluß, daß er die Vorwürfe ohne Widerspruch akzeptiert.

jW

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