Aus: Ausgabe vom 17.10.2006, Seite 4 / Inland
Sozial ist weltweit out
Entwicklungspolitisches Netzwerk: Regierungen müssen »Steuerwettlauf nach unten« stoppen. Umverteilung von unten nach oben in Deutschland kritisiert
Im Kampf gegen Armut und soziale Benachteiligung haben deutsche Nichtregierungsorganisationen einen grundlegenden Umbau der internationalen Finanzarchitektur und ein Ende des »weltweiten Steuerwettlaufs nach unten« gefordert. In den vergangenen 15 Jahren habe sich in nahezu jedem vierten Land der Erde die soziale Situation in Teilbereichen wie Bildung oder Gesundheit verschlechtert, heißt es im sechsten Bericht von Social Watch Deutschland, den das entwicklungspolitische Netzwerk am Montag in Bonn vorstellte. Kritik übten die Autoren auch an der Politik in Deutschland: Selbst in der reichen Bundesrepublik würden Sozialabbau und Leistungseinschränkungen bei Menschen mit Unterstützungsbedarf mit dem Hinweis auf öffentliche Armut legitimiert. Die Messung öffentlicher Leistungen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien gehe »zwangsläufig zu Lasten der Bedarfsdeckung«, heißt es im Bericht. Beklagt werden der Trend zur Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge und die Steuererhöhungen zu Lasten der ärmsten Haushalte, insbesondere die Anhebung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007.
Trotz aller Fortschritte in den vergangenen Jahren lebe in mehr als 50 Ländern immer noch über ein Drittel der Bevölkerung in absoluter Armut, betonte der Sprecher von Social Watch Deutschland, Klaus Heidel.
Die Regierungen der armen Länder selbst müßten in den nächsten zehn Jahren ihre öffentlichen Ausgaben für soziale Entwicklung verdreifachen, unterstrich Jens Martens vom Global Policy Forum Deutschland. Durch Kapitalflucht und ineffiziente Steuersysteme entgingen diesen Staaten jedoch jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe. »Nur wenn die Regierungen den weltweiten Steuerwettlauf nach unten stoppen und die öffentlichen Finanzen der Entwicklungsländer stärken, kann dort die Armut wirkungsvoll bekämpft werden«. Dazu sei allerdings auch eine Aufstockung der Entwicklungshilfe erforderlich, heißt es weiter in dem Bericht. Die Erhöhung des deutschen Entwicklungshilfeetats in den vergangenen Jahren weise zwar »in die richtige Richtung«, betonte Richard Brand vom Evangelischen Entwicklungsdienst. Der Anstieg sei allerdings »völlig unzureichend«. Der Anteil der Entwicklungshilfe am deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug im vergangenen Jahr offiziell 0,35 Prozent im Vergleich zu 0,28 bzw. 0,25 in den Vorjahren. Brand kritisierte in diesem Zusammenhang die Einbeziehung von Schuldenerlassen, Ausgaben für Studienplatzkosten für Studenten aus Entwicklungsländern sowie für die Betreuung von Asylbewerbern in die Ermittlung der Entwicklungshilfequote. Dabei handle es sich schließlich nicht um zusätzliche Transfers in die Länder. Würde man diese Posten aus der deutschen offiziellen Entwicklungshilfe herausrechnen, käme man auf lediglich 0,2 Prozent des BIP.
Dem 1995 gegründeten Netzwerk Social Watch Deutschland/Forum Sozialgipfel gehören 27 entwicklungs- und sozialpolitische Organisationen, kirchliche Institutionen, politische Stiftungen und Gewerkschaften an. Sein Ziel ist die kritische Beobachtung der Umsetzung von sozial- und entwicklungspolitischen Beschlüssen großer Weltkonferenzen.
jW-Bericht
Im Kampf gegen Armut und soziale Benachteiligung haben deutsche Nichtregierungsorganisationen einen grundlegenden Umbau der internationalen Finanzarchitektur und ein Ende des »weltweiten Steuerwettlaufs nach unten« gefordert. In den vergangenen 15 Jahren habe sich in nahezu jedem vierten Land der Erde die soziale Situation in Teilbereichen wie Bildung oder Gesundheit verschlechtert, heißt es im sechsten Bericht von Social Watch Deutschland, den das entwicklungspolitische Netzwerk am Montag in Bonn vorstellte. Kritik übten die Autoren auch an der Politik in Deutschland: Selbst in der reichen Bundesrepublik würden Sozialabbau und Leistungseinschränkungen bei Menschen mit Unterstützungsbedarf mit dem Hinweis auf öffentliche Armut legitimiert. Die Messung öffentlicher Leistungen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien gehe »zwangsläufig zu Lasten der Bedarfsdeckung«, heißt es im Bericht. Beklagt werden der Trend zur Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge und die Steuererhöhungen zu Lasten der ärmsten Haushalte, insbesondere die Anhebung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007.
Trotz aller Fortschritte in den vergangenen Jahren lebe in mehr als 50 Ländern immer noch über ein Drittel der Bevölkerung in absoluter Armut, betonte der Sprecher von Social Watch Deutschland, Klaus Heidel.
Die Regierungen der armen Länder selbst müßten in den nächsten zehn Jahren ihre öffentlichen Ausgaben für soziale Entwicklung verdreifachen, unterstrich Jens Martens vom Global Policy Forum Deutschland. Durch Kapitalflucht und ineffiziente Steuersysteme entgingen diesen Staaten jedoch jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe. »Nur wenn die Regierungen den weltweiten Steuerwettlauf nach unten stoppen und die öffentlichen Finanzen der Entwicklungsländer stärken, kann dort die Armut wirkungsvoll bekämpft werden«. Dazu sei allerdings auch eine Aufstockung der Entwicklungshilfe erforderlich, heißt es weiter in dem Bericht. Die Erhöhung des deutschen Entwicklungshilfeetats in den vergangenen Jahren weise zwar »in die richtige Richtung«, betonte Richard Brand vom Evangelischen Entwicklungsdienst. Der Anstieg sei allerdings »völlig unzureichend«. Der Anteil der Entwicklungshilfe am deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug im vergangenen Jahr offiziell 0,35 Prozent im Vergleich zu 0,28 bzw. 0,25 in den Vorjahren. Brand kritisierte in diesem Zusammenhang die Einbeziehung von Schuldenerlassen, Ausgaben für Studienplatzkosten für Studenten aus Entwicklungsländern sowie für die Betreuung von Asylbewerbern in die Ermittlung der Entwicklungshilfequote. Dabei handle es sich schließlich nicht um zusätzliche Transfers in die Länder. Würde man diese Posten aus der deutschen offiziellen Entwicklungshilfe herausrechnen, käme man auf lediglich 0,2 Prozent des BIP.
Dem 1995 gegründeten Netzwerk Social Watch Deutschland/Forum Sozialgipfel gehören 27 entwicklungs- und sozialpolitische Organisationen, kirchliche Institutionen, politische Stiftungen und Gewerkschaften an. Sein Ziel ist die kritische Beobachtung der Umsetzung von sozial- und entwicklungspolitischen Beschlüssen großer Weltkonferenzen.
jW-Bericht
Der Bericht im Internet unter www.social-watch.de. Gegen Schutzgebühr von fünf Euro zu bestellen bei Werkstatt Ökonomie, Obere Seegasse 18, 69124 Heidelberg, Tel.06221/43336-13
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