Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 24.01.2007, Seite 3 / Schwerpunkt

Ein weiterer Baustein der Herrschaft

Die Journalistin Amira Haas schrieb vergangene Woche in der israelischen Zeitung Haaretz:

Hätte der Verteidigungsminister Amir Peretz mit Taten beweisen wollen, daß er Rassismus für verachtenswert und gefährlich hält – wie man es aus seinen Bemerkungen gegenüber seinem Kollegen, dem Minister für strategische Angelegenheiten Avigdor Liebermann, verstanden hatte – dann hätte er seine Autorität eingesetzt und noch rechtzeitig eine Instruktion zurückgenommen, die vom Armeekommandeur Yair Naveh veröffentlich wurde. Er tat es jedoch nicht, die Direktive trat am vergangenen Freitag in Kraft. Seit dem 19. Januar ist es Israelis und Ausländern verboten, Palästinenser als Passagiere in ihrem Wagen durch die Westbank mitzunehmen.

Wäre der stellvertretende Verteidigungsminister Ephraim Sneh, der von der Situation in Hebron geschockt ist und zu der Überzeugung gekommen ist, daß das Gesetz dort nicht effektiv genug ausgeführt wird, wirklich interessiert gewesen – er hätte die Instruktion abblocken können. Sie ist ein weiterer Baustein für die Herrschaft der jüdischen Siedler auf der Westbank. Navehs Instruktion erlaubt nämlich jüdischen Arbeitgebern (hauptsächlich Siedlern und Israelis, die im eigentlichen Israel leben), mit ihren palästinensischen Arbeitern zu fahren. Das gibt eine Vorstellung, auf welche Weise allein eine natürliche Beziehung zwischen einem Palästinenser und einem Israeli oder Juden möglich ist, als Arbeitnehmer und Arbeitgeber.


Die Instruktion stimmt mit anderen Verboten überein, die Israel den Palästinensern in der Westbank und im Gazastreifen auferlegt, also auf demselben Gebiet, auf dem Juden sich ungehindert bewegen dürfen und Wohn-, Wirtschafts- und Handelsrechte haben. Diese Reiseverbote haben seit Jahren Tausende Palästinenser in der Westbank daran gehindert, ihre Familien und Freunde im Gazastreifen zu besuchen. So entstanden Tausende Geschichten von Leuten, denen es nicht erlaubt war, mit ihren Familien im eigenen Haus zu leben oder sich um die sterbenden Eltern zu kümmern. Sie hindern Studenten daran, ihre gewünschten Studien an anerkannten Bildungseinrichtungen fortzusetzen. Die Reiseverbote verhindern, daß Kranke in ein Krankenhaus, Schwangere in eine Entbindungsstation, Kinder zu ihren Schulen, Arbeiter an ihren Arbeitsplatz kommen. Diese Verbote haben ein Drittel des Gebietes der Westbank – das Jordantal – in eine Region verwandelt, in der es keine Palästinenser mehr gibt.

Die neue Instruktion ist besonders wirksam, weil sie hauptsächlich Palästinenser gefährdet, die sie mißachten. Aus verschiedenen juristischen Gründen wird es schwierig sein, Israelis vor ein ziviles Gericht zu bringen. Die palästinensischen »Kriminellen« jedoch werden in und vor militärische Gerichte gebracht, auf die Schwarze Liste gesetzt und vom Shin-Beth-Sicherheitsdienst verfolgt werden, und sie werden sich schließlich mit Gefängnisstrafen von fünf Jahren konfrontiert sehen. Diese Tatsache wird Israelis davon abhalten, gewaltfreien zivilen Ungehorsam zu praktizieren, so wie ihn Mahatma Gandhi und Martin Luther King gelehrt haben. Sie werden sich also an die eklatant illegale Order halten. Die Gründer der Apartheid in Südafrika hätten darauf nur stolz sein können.

Übersetzung: Ellen Rohlfs

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