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Aus: Ausgabe vom 22.02.2007, Seite 3 / Schwerpunkt

Wem gehört das Bahngelände – wenn es kein Bahngelände mehr ist?

Von Winfried Wolf
Es ist eine Sache, die Bahnprivatisierung aus allgemeinen politischen sowie aus umwelt- und verkehrspolitischen Gründen zu kritisieren und als typisches Modell einer Privatisierung gesellschaftlichen Eigentums zu charakterisieren. Der andere Umstand ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt: Der größte Teil des Bahngeländes wurde im 18. und frühen 19. Jahrhundert den – oftmals privaten – Bahnen von der öffentlichen Hand geschenkt, mit der erklärten oder stillschweigenden Auflage, darauf Schienenverkehr zu betreiben. Wenn dieses Gelände nun an private Investoren verkauft wird und darauf kein Schienenverkehr mehr veranstaltet wird, entfällt die Geschäftsgrundlage für diese Übereignung. Drei Fälle.

Beispiel eins: Im Landkreis Augsburg in Bayern wurde 1986 durch die Bundesbahn die Weldenbahn eingestellt. Die Kommunen Adelsried und Horgau wollten das Gelände übernehmen, um einen Geh- und Radweg anzulegen. Als ihnen der Preis, den die Bundesbahn für die Überlassung der Trasse verlangte, zu hoch erschien, stöberten sie in den Archiven. An Hand von Urkunden aus den Jahren 1899 und 1902 konnten sie den Nachweis führen, daß damals die Grundstücke für die Bahntrassen von den Kommunen zunächst gekauft und dann der Bahn kostenlos überlassen wurden – mit der Auflage, darauf Schienenverkehr zu betreiben.

Beispiel zwei: In Lindau will die Deutsche Bahn AG seit Ende der 1990er Jahre den Hauptbahnhof, der sich auf der Bodenseeinsel befindet, veräußern. Die Bahn soll auf dem Festland enden, auf dem Gelände des bisherigen Inselbahnhofs ein Kongreßzentrum errichtet werden. Tatsächlich konnte belegt werden, daß die Fläche für den Bahnhof am 18. März 1851 durch den Magistrat der Stadt der Eisenbahngesellschaft gratis überlassen wurde. Auch hier mußte die Kommune das Land zuvor teilweise privaten Eigentümern abkaufen. Diese Großzügigkeit machte nur Sinn, weil niemand auch nur auf die Idee kam, das Gelände könnte anders als für den Schienenverkehr genutzt werden.

Beispiel drei: In Hamburg wurde im Bereich des »Hannoverschen Bahnhofs« Bahngelände frei, das die DB AG bzw. deren Tochter Aurelis vermarkten will. Der Notar und ehemalige Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau verwies jedoch auf alte Verträge vom Ende des 19. Jahrhunderts. Danach trat die Hansestadt damals das entsprechende Gelände zwar an die Bahn ab. Sie konnte dabei jedoch »eine tückische Klausel durchsetzen: Danach muß die Bahn das Gelände bei Aufgabe der betrieblichen Nutzung wieder an die Hansestadt herausrücken«. In dem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6. Oktober 2006 zu diesem Vorgang konnte man nachlesen, mit welcher halsbrecherischen Argumentation die Deutsche Bahn AG dies zu parieren versucht: »Die Bahn meint nun, so Voscherau, daß mit der Gleichschaltung der Länder im Dritten Reich diese Rechtsansprüche erloschen seien.« Das aber, so Voscherau, »könne in den Zeiten der Restitution anders gesehen werden«.

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