Aus: Ausgabe vom 10.03.2007, Seite 16 / Aktion
Besser schweigen
Wer soll schweigen?
Aber wer soll denn nun schweigen? Wir von der jungen Welt? Oder die Medien über die junge Welt? Wie immer das gemeint sein mag: Wir werden nicht schweigen, und das Überunsschweigen wird sowieso nur punktuell unterbrochen. Wobei nicht nur der Fall Klar zeigt, daß nicht von uns bestimmt wird, an welcher Stelle dies geschieht. Auch als wir als erste deutsche Tageszeitung über die Leuna-Affäre des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl berichtet hatten, schwiegen wie üblich alle anderen Medien. Erst viele Monate später wurde ein Skandal daraus. Herr Kohl mußte gehen und nur eine süddeutsche Regionalzeitung hat eingestanden, daß die junge Welt als erste deutsche Tageszeitung über die Leuna-Affäre berichtet hatte – Monate vor allen anderen.Im Fall Klar hat es zwar nur Wochen gedauert, bis die Medien über den Text, der in der jungen Welt veröffentlicht war, ausführlich berichteten. Aber das Prinzip ist immer das gleiche: Verschweigen, wenigstens so lange es geht. Denn die junge Welt wird – außer von »linksradikalen Restkadern« – zumindest von den meisten Redaktionen im Lande wahrgenommen. So vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Medium von uns eine Information wünscht. Wahrnehmen und Wiedergeben sind aber zwei Paar Schuhe.
Und vor allem: Warum?
Die junge Welt kann sich auch weiterhin darauf verlassen, daß ihre PR-Arbeit nicht von anderen Medien gemacht oder auch nur unterstützt wird. Sie wird nach solchen Zwischenfällen selten zitiert, deshalb sind wir nach wie vor auf unsere Leserinnen und Leser angewiesen. Vor allem sie unterstützen uns kräftig bei der Bewerbung dieser Zeitung. Sie wissen am besten, daß die alternativen Informationen und Analysen, Hintergrundberichte und Kommentare eben nicht nur »linksradikale Restkader« interessieren. Sondern auch Gewerkschafter, Christen, Sozialdemokraten, Kommunisten, Friedensbewegte und Umweltaktivisten, Anarchisten und Sozialisten. Wenn diese Kreise als Linksradikal verschrieen werden, nur weil sie sich für eine andere Welt und deshalb auch für eine andere Zeitung interessieren – sei’s drum. Eine andere Welt wird nicht erkämpft werden können, ohne die alte von Grund auf, also radikal zu ändern. Und weil es sich bei diesen Leserinnen und Lesern oder Interessierten nicht selten um Multiplikatoren handelt, die aktiv in Bewegungen, Parteien und Organisationen sind, kann man auch gerne von Kadern sprechen. Aber wenn die junge Welt tatsächlich nur von verblendeten und wirkungslosen Restkadern gelesen würde, wie die Texte suggerieren – warum schenkt man dann der Angelegenheit doch soviel Aufmerksamkeit?Tatsächlich machen wir gerade eine Kampagne. Die heißt »Den Hammer schmieden – 3600 Abos für die junge Welt« und findet anläßlich unseres 60jährigen Bestehens statt. Mit ihr wollen wir Aufmerksamkeit und Interesse an der jungen Welt wecken – und möglichst viele für ein Abonnement gewinnen. Denn diese Zeitung finanziert sich fast ausschließlich von den Gebühren, die Print- und Internetabonnenten bezahlen. Diese Kampagne wird vor allem getragen durch die Werbeaktivitäten unserer Leserinnen und Leser. Und wer jetzt glaubt, daß wegen der Klar-Berichterstattung hier am laufenden Band zusätzliche Abos eintrudeln, irrt sich. Noch immer muß um jedes Abo hart gerungen werden. Aber da potentielle Neuabonnenten zunächst überhaupt erst einmal wissen müssen, daß es im Tageszeitungsbereich ein Angebot für »linksradikale Restkader« gibt, nutzen uns die obenbeschriebenen Beschimpfungen natürlich. Aber aus genau diesem Grund wird die junge Welt in den meisten Medien nur in größter Not namentlich genannt.
Verlag, Redaktion, Genossenschaft
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Mathias Bartelt: Korrektiv Ich unterstreiche, daß die jW nicht nur »linksradikale Restkader« interessiert, sondern auch viele andere Gruppen und Menschen. Die (wie oft auch die jW) im Schwarz-Weiß-Denken verhaftete pauschale Ab...