Aus: Ausgabe vom 19.03.2007, Seite 13 / Feuilleton
Minnesang
In Erfurt soll ein Denkmal her für den 19. März 1970, an dem Bundeskanzler Willy Brandt den DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph traf. Einige hundert Erfurter stürmten damals auf den Bahnhofsvorplatz und skandierten »Willy Brandt ans Fenster!« 123 Denkmalsentwürfe hat eine Jury unter Vorsitz des Kunstwissenschaftlers Kai-Uwe Schierz geprüft. Mit elf zu zwei Stimmen hat sie sich dafür entschieden, eine Leuchtschrift auf dem Dach des damaligen Hotels Erfurter Hof anbringen zu lassen: »Willy komm ans Fenster«. Mit der »poetischen Umdeutung der Rufe« werde der Vorgang in einen kulturhistorischen Rahmen eingebettet, »der mit der Troubadour-Lyrik beginnt und im Minnegesang weiter entwickelt wurde, sich als Motiv aber auch in ›Romeo und Julia‹ und in Mozarts ›Don Giovanni‹ finden läßt: Ein Liebender bittet die Geliebte, am Fenster zu erscheinen.« Nicht nur Brandts Witwe Brigitte Seebacher-Brandt fand diese Erklärung der Jury »gräßlich und grotesk«. In der Thüringer Allgmeinen vom Montag verspricht der Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) nun, daß statt des Minnesangs der Ruf »Willy Brandt ans Fenster« über Erfurt leuchten soll.
(AP/jW)
(AP/jW)
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