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Aus: Ausgabe vom 17.04.2007, Seite 13 / Feuilleton

Amerika in Bremen

Johann Kresnik (67) hat Kafkas Romanfragment »Amerika« dramatisiert. Im stillgelegten Teil des Bremer Güterbahnhofs. Am Samstag war Premiere, trotz eines Wasserschadens, den die Vervollständigung des Bühnenbilds am Mittwoch mit sich gebracht hatte. Ein 200 mal vier Meter langes Gleisbett war geflutet worden, eine Seitenwand unter dem Druck zerborsten. Die Auswanderung der Hauptfigur Karl Roßmann nach Amerika hätte mit diesem Gleisbett ins Bild gesetzt werden sollen: 23 Engel wären mit brennenden Flügeln am Wasser lang prozessiert. Bei der Premiere war der Überwältigungseffekt noch zu erahnen.

Im Roman ist Roßmann ein überangepaßter Teenager, beseelt vom »American Dream« – ihm widerfährt wenig Gutes in Amerika; was er sieht, läßt ihn staunen. Bei Kresnik ist diese Unbedarftheit in Depression und Haß umgeschlagen. Rossmann ist deutlich älter, der Zuschauer bewegt sich mit ihm durch einen Bahnhof voller Müll, von einer Verwerfung zur nächsten. Mit den üblichen Requisiten wird die Hegemonie der Unkultur angeprangert. Es hat Silikontitten, Fastfood, lebendige Ratten. Schauspieler pinkeln. Theaterblut fließt. Einmal mehr wird das Spektakel mit Spektakel ausgetrieben. Satanistischer ­Exorzismus. Je ruhiger Kresnik die Sache angeht, je gespenstischer, desto besser. In blauen Müllsäcken machen die Ausgestoßenen wenig her als nackt, vereinsamt in Glasverschlägen kauernd, sich und die Scheiben mit Blut vollschmierend.

Die nächsten Aufführungen sind am 19., 21., 27. und 28. April. Am 13. Juli ist die letzte. Vielleicht läßt sich die Antinationale Gruppe Bremen noch mal blicken. Vor der Premiere verteilte sie Flugblätter. Deutschland ist nicht der »moralisch integere Gegenentwurf zum Turbokapitalismus der USA«, konnte man lesen. Vor deutscher Innerlichkeit wurde gewarnt, »Sex um des Sexes willen« gefordert. Leider beschränkte man sich nicht auf solch sachdienliche Hinweise und Selbstverständlichkeiten, sondern pöbelte auch noch gegen den »pöbelnden Kresnik«.

(jW)

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