Aus: Ausgabe vom 07.07.2007, Seite 12 / Feuilleton
Live Earth, FAQ
Die »größte Party der Welt« hat Pharrell Williams vom Dachverband der HipHop-Industrie für den heutigen Samstag angekündigt. Das ist zuviel versprochen. »Live Earth« ist das aufwendigste Benefizkonzert aller Zeiten. Für den Klimaschutz werden mehr als 150 Bands und Solisten auftreten. In Sydney, Tokio, Schanghai, Johannesburg, London, Rio de Janeiro, New York und Hamburg (Ex-Volksparkstadion, 14 bis 23 Uhr, mit Snoop Dogg, Sasha, Roger Cicero, Mia etc.). Abgehangene Massenware setzt sich wie neu in Szene (Bon Jovi, Genesis), aber nicht überall ist es ganz schlimm: The Red Hot Chili Peppers feiern noch einmal ihren Heroinentzug, die Beastie Boys laden zum nächsten »Stil durch Enttäuschung«-Gig. Womit wir bei den Frequently Asked Questions wären: Kann Musik die Welt verändern? Bißchen vielleicht. Sind Protestlieder zu befürchten? Kaum. Madonna z.B. stellt im Wembley-Stadion ihre neue Single »Hey you« vor. Die beginnt so: »But you must first love yourself, then you can love someone else«. Haben »Live Earth«-Gründer Al Gore und sein ausführender Produzent Kevin Wall es geschafft, einen Weltstar in die Antarktis zu fliegen? Nein. Das ist in dieser Jahreszeit (noch!) nicht möglich. In der britischen Rothera-Station, deren Winterbesetzung 22 Personen zählt, wird die fünfköpfige Hausband Nunatak das Versprechen, es gebe auf allen Kontinenten Konzerte, einlösen. Hier steht die Zuschauerzahl schon fest: 17. Dazu sollen bei den Konzerten zwei Millionen kommen. An den Bildschirmen zwei Milliarden. Laut Al Gore führen all diese Musikfreunde und -feinde einen »Krieg gegen die globale Erwärmung«. Der gewählte Doch-Nicht-Präsident ist zum Öko-Supermann geworden. Den Oscar hat er, den Friedensnobelpreis fast. Nun toppt er die Vorbildveranstaltungen Live Aid (1995) und Live 8 (2005), die den Schuldenerlaß der »Dritten Welt« zu befördern suchten. Ohne Erfolg. Nun gut, »Live Earth« hat andere Sponsoren: Den »Shuttle-Service« übernimmt der Daimler-Konzern, PepsiCo ist dabei, MSN, eBay... – ein gutes Gewissen war nie billiger. Von den 50 Euros, die ein Konzertticket kostet, werden 30 Cent für Bäume auf der Südhalbkugel verwendet. (jW)
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