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Aus: Ausgabe vom 21.07.2007, Seite 16 / Aktion

Zeitung gegen den Krieg

Seit 1990 nimmt die Bundesrepublik ununterbrochen an Kriegen teil. Die junge Welt gibt es auch deswegen, weil sich niemand daran gewöhnen sollte
Thomas J. Richter: Carlo Giuliani (2001)
Thomas J. Richter: Carlo Giuliani (2001)
Aufgabe einer Tageszeitung sollte es sein, darüber zu berichten, was an Wichtigem passiert. Mit wichtig gemeint ist, daß es viele Menschen, vielleicht sogar die Mehrheit betrifft. Da dies vom Unten und Oben in der Gesellschaft nicht zu trennen ist, geht es meistens darum, was von oben her trifft: Die Vorbereitung des nächsten Kriegseinsatzes durch die Berliner Politik, das gnadenlose Durchziehen der Verarmungsgesetze, die Kürzung der Renten, das Ausweiten der Terrorismusschnüffelei auf jede Form von Kritik, Protest oder Widerstand, das Verscherbeln öffentlichen Wohneigentums, die Schikanen gegen Arbeitslose, die miese Bildung und Ausbildung für Kinder und Jugendliche, die Zumutungen der katastrophalen Gesundheitsreformen etc. Man kann auch sagen: Es geht in einer Tageszeitung um die so­ziale Frage und leider wieder zunehmend um Krieg. Beides hängt eng miteinander zusammen.

Allerdings hat sich die Tatsache, daß die Bundesrepublik seit 1990 direkt oder indirekt ununterbrochen an Kriegen teilnimmt – von der Auflösung Jugoslawiens über den Golfkrieg von Bush senior bis zu den Kriegen gegen Afghanistan und Irak von Bush junior, in den deutschen Medien nicht sehr weit herumgesprochen. Kaum Erwähnung findet, daß gegenwärtig außer Malta und Zypern alle EU-Mitgliedstaaten in Kriegshandlungen verwickelt sind oder an Militäreinsätzen im Ausland teilnehmen. Wer erinnert schon daran, daß Bundeskanzler Schröder im Wahlkampf 2002 gegen das »Abenteuer« im Irak wetterte und gleichzeitig den BND in Bagdad an der Zielkoordinierung der US-Bomber mitarbeiten ließ. Das kam erst Jahre später heraus, als schon die nächsten Wahlen bevorstanden.

Das neue Großdeutschland legte sofort nach 1990 in »Verteidigungspolitischen Richtlinien« fest, daß die Bundeswehr zu einer international einsetzbaren Armee umgebaut wird, um »unsere« Rohstoffversorgung und Transportwege zu sichern. Nach 17 Jahren Um- und Aufrüstung, Einübung in Auslandseinsätze zu Wasser, zu Lande und in der Luft – u. a. mit Bomben auf Belgrad 1999 – reifen langsam die Früchte dieses modernen Patriotismus. Die Einladung, sich an kommenden Einsätzen in Afrika zu beteiligen, wurde von Paris gerade ausgesprochen.

So klein die junge Welt (noch) ist, so einflußreich ist sie nach unseren Erfahrungen, wenn es um die Kriegsfrage geht. Nicht in dem Sinn, daß sie die Mehrheitsmeinung umdrehen kann. Aber sie liefert Nachrichten und Argumente für diejenigen, die sich dem Unheil in den Weg stellen. Wir haben erlebt, wie angesichts der monströsen Lügen, mit denen Schröder, Fischer und Scharping 1999 den Luftkrieg gegen Jugoslawien begründeten, unsere ablehnende Haltung nicht verstanden wurde. Das Beharren darauf, daß Angriffskriege ein Verbrechen sind, trug uns den Vorwurf ein, wir ergriffen die Partei der Belgrader Regierung. Die Solidarität mit den Opfern, das Aufdecken der Lügen des Aggressors, die Versuche der Angegriffenen, den Krieg zu vermeiden, gelten in solchen Zeiten als Verrat. Was in diesem Punkt – Bruch oder Einhaltung des Völkerrechts – ja auch stimmt.

Zu den völkerrechtswidrigen Kriegen, an denen Deutschland seit 1990 wieder teilnimmt, gehört auch der in Afghanistan. Am 15. September will die Friedensbewegung in Berlin gegen die anstehende Verlängerung der Mandate für den Einsatz der Bundeswehr durch den Bundestag demonstrieren. Und wieder beginnt dasselbe Spiel, in dem sich Grüne und SPD besonders hervortun: Wer gegen die Landesverteidigung am Hindukusch ist, ist für die Taliban. Der zivile Aufbau werde bei einem Rückzug zusammenbrechen, wird vom Außenminister prophezeit. Zunächst aber bombardieren die Demokratiebringer vornehmlich Frauen und Kinder, während Warlords wieder die Macht übernommen haben.

Wir werden in den nächsten Wochen die Demonstration der Friedensbewegung mit vorbereiten helfen. Nach den Protesten gegen den G-8-Gipfel von Heiligendamm ist dies die nächste Gelegenheit zu zeigen, was sehr viele Menschen in der Bundesrepublik von dieser Art »Globalisierung« halten. Laut Umfragen sagt die weit überwiegende Mehrheit Nein zu »Tornado«-Einsätzen, geheim agierenden Kampftruppen und »Schutztruppen«, die in erster Linie dafür sorgen, daß die Gewinne der Drogenbarone nicht geschmälert werden. Tatsachen dieser Art zu benennen, mit der Meinung über die Ursachen von Krieg nicht hinter dem Berg zu halten – das sind Gründe, warum wir diese Zeitung machen. Sie soll eine tägliche Zeitung gegen den Krieg sein. Je mehr Leserinnen und Leser sie hat, desto besser kann sie diese Aufgabe erfüllen. Helfen Sie uns, noch mehr zu gewinnen. Die Vorbereitung auf den 15. September ist eine gute Gelegenheit.

Verlag und Redaktion

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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