Aus: Ausgabe vom 11.08.2007, Seite 16 / Aktion
Gelber Alarm
Von Commander Shree StardustAuch vermeintliche Sommerlöcher werden traditionell für gutgelaunte Angriffe von oben genutzt. In diesem Jahr: massive Preiserhöhungen für Grundnahrungsmittel, ein gerichtlicher Frontalangriff auf das Streikrecht, Debatte über ein deutschlandweites Zentralabitur, Einführung von Pay-per-Fingerabdruck durch eine große Kaufhauskette.
Zeitgleich läuft die Repressionsmaschine auf Hochtouren. Hausdurchsuchungen gegen linke Aktivisten scheinen neuerdings eine Automatikschaltung für 129abcdefg-Verfahren zu besitzen, das Verfahren gegen jenen Bremer Zivilpolizisten, der in Heiligendamm auf Staatskosten junge Leute zu Straftaten animierte, wurde sang- und klanglos eingestellt – aber gegen die Gipfelstürmer laufen mehr als 1000 Ermittlungsverfahren.
Insofern tut es mir aufrichtig leid, und ich entschuldige mich hiermit dafür: Mir bleibt keine Wahl, als hiermit zumindest gelben Alarm auszurufen – in der sicheren Erwartung, daß die rote Alarmstufe in diesem Herbst nicht zu vermeiden sein wird. Denn was wir im Moment erleben, sind die ersten Vorboten einer koordinierten Offensive von oben rechts gegen links unten. Und ich kann nicht behaupten, daß die täglich zunehmende Nervosität der Weltfinanzmärkte im Zuge der (nicht nur) amerikanischen Hypothekenkrise wesentlich zu meiner Beruhigung beitragen würde. Wenn das System nämlich wackelt, haut der Staat aller historischer Erfahrung nach präventiv gleich mal kräftig auf alles drauf, was sich bewegt und im Verdacht steht, Ansatzpunkt für effektiven Widerstand zu sein.
Der Angriff von oben ist garantiert. Für einen offenen Schlagabtausch braucht es jetzt nur noch einen wirkungsvollen Gegenschlag von unserer Seite. Kommen wir also auf den Widerstand zu sprechen: Hier lassen sich einige recht vielversprechende Ansatzpunkte erkennen. Da wäre zunächst eine neue Lust am Streik, die unsere GDL symbolisiert, die aber auch anderweitig zu erkennen ist, im Einzelhandel, bei den Piloten – und es darf daran erinnert werden: Es waren oftmals in der Geschichte die »privilegierten« Teile der Arbeiterklasse, die als erstes zum offensiven Widerstand übergingen, einfach, weil sie sich das aufgrund ihrer besseren Kampfposition auch eher erlauben konnten. Nichts wäre dümmer, als ihnen aus kleinkarierten Gründen die Solidarität zu verweigern. Im Gegenzug sollten aber auch Piloten und Lokführer einsehen, daß beispielsweise Sozialproteste von Arbeitslosen volle Unterstützung verdienen. Vielleicht ist das Sozialforum im Oktober in Cottbus eine gute Gelegenheit, hier neue, wirksame Bündnisse zu schmieden.
Weil wir beim Schmieden sind – auch einen Hammer brauchen wir bekanntermaßen. 3600 neue Abos bis Jahresende bleiben das jungeWelt-Kampfziel im Dauergeburtstagsjahr 2007. Auch hier wird es Zeit, sich am Wetter zu orientieren: Der Sommer ist vorbei, es darf wieder gerackert werden!
Wo der Sommer noch nicht vorbei ist, darf man auch ganz entspannt für die jW aktiv werben. So erreichte uns eine Anfrage aus dem Baskenland, ob wir nicht 500 Verteilexemplare per Luftexpreß liefern können, um die dort zahlreiche Urlauberschaft aus Deutschland am Strand versorgen zu können.
Und dann gibt es die bundesweite Großdemonstration gegen den Afghanistan-Feldzug am 15. September in Berlin. Es ist klar, daß die Auseinandersetzung um eine Verlängerung oder sogar Ausweitung des Kriegsmandats eine kollektive Kraftanstrengung unsererseits erfordert – aber wir sollten diese Mobilisierung mit großer Lust am frontalen Konflikt betreiben, denn: Dieser September ist die goldene Gelegenheit, die große Koalition in die Defensive und den Preis für eine Fortsetzung des Krieges massiv nach oben zu treiben. Die SPD ist zutiefst gespalten, die Linke erfreulich klar in dieser Sache. Die Grünen haben sich auf eine lächerliche Position Marke »Krieg ja, aber bitte einen netten« festgelegt, und nicht einmal die CDU/CSU kriegt ihre Afghanistan-Dissidenten zum Schweigen. Zeit für die Friedensbewegung, an alte Zeiten anzuknüpfen.
Gelber Alarm also nicht nur, weil der Angriff von oben anrollt – sondern auch und vor allem, weil wir die Offensive der Herrschenden diesmal nicht wehrlos über uns ergehen zu lassen brauchen. Wir sind in einer Position, auch kräftig auszugeben. Damit der Klassenkampf wieder spannend wird.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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