75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 22. November 2024, Nr. 273
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 02.01.2008, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Ist der Osten braun?

In Schwerin und Dresden sitzt die NPD im Landtag, in Potsdam die DVU. Neigen Ostdeutsche eher zu rechten Positionen? Das zumindest behauptet Klaus Schroeder vom »Forschungsverbund SED-Staat« an der Freien Universität Berlin. »Kollektivistische Erziehung und die begrenzten Ausreisemöglichkeiten führten zu rechtsextremistischen Tendenzen, die sich nach dem Fall der Mauer verstärkten«, glaubt der Politologe. Nicht ganz ins Bild passen die Ergebnisse seiner eigenen Studie aus dem Jahr 2002. »Nennenswerte Unterschiede zwischen Ost und West existieren nicht«, mußte Schroeder resümieren.

Andere Arbeiten bestätigen diesen Befund. »Rechtsextremismus ist keine Spätfolge des Sozialismus« so der Psychologe Detlef Oesterreich, der zwischen 1991 und 1997 rund 2800 Jugendliche an Ost- und Westberliner Schulen befragte. Gleichlautend ist das Fazit von Elmar Brähler und Oliver Decker. In der umfangreichsten Untersuchung zu diesem Thema befragten die Forscher in den Jahren 2002, 2004 und 2006 knapp 10000 Bürger zu ihren Einstellungen.

Woraus also resultieren die Wahlerfolge neofaschistischer Parteien in den neuen Bundesländern? »Aus der ohne Rücksicht auf soziale Belange und Befindlichkeiten der DDR-Bürger durchgeführten Vereinigung«, sagte der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge am 30.Dezember 2007 gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Tatsächlich müssen in Ostdeutschland neben den Auswirkungen der kapitalistischen Globalisierung auch noch die Folgen der wirtschaftlichen Transformation bewältigt werden. Profitieren konnte davon die NPD, die ihr politisches Repertoire um Sozialrhetorik und Protestattitüde erweiterte.

Neu ist das nicht. Schon vor dreißig Jahren warnte der Soziologe Erwin K. Scheuch davor, daß neofaschistische Parteien in Umbruchsituationen Zulauf von Personen bekommen, die nicht zwangsläufig rechtsradikal denken. Damals, zwischen 1966 und 1972, saß allein die NPD in den Landtagen von Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Baden-Württemberg. (fb)

Mehr aus: Schwerpunkt