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Aus: VIII. rosa-luxemburg-konferenz, Beilage der jW vom 29.01.2003

Kein McDonald’s ohne McDonnell-Douglas

Harpal Brar dementiert die These vom friedlich gewordenen »kollektiven Imperialismus«

Ich wurde aufgefordert, über die Frage zu sprechen: »Ist Lenins Imperialismus-Theorie in der heutigen Welt noch aktuell?« Ich beantworte diese Frage schlicht mit »ja«. Ich werde im folgenden einen kurzen Nachweis liefern, der diese Antwort untermauert. Jedem, der eine detailliertere Behandlung des Themas wünscht, sei die Lektüre meines Buches »Imperialismus im 21. Jahrhundert – Sozialismus oder Barbarei« empfohlen.

Lenin betont wiederholt, daß das Monopol Wesensmerkmal des Imperialismus ist, daß die »Verwandlung der Konkurrenz in das Monopol ... eine der wichtigsten Erscheinungen – wenn nicht die wichtigste – in der Ökonomik des modernen Kapitalismus« ist, daß »die Entstehung der Monopole infolge der Konzentration der Produktion überhaupt ein allgemeines Grundgesetz des Kapitalismus in seinem heutigen Entwicklungsstadium ist« und schließlich: »Das Monopol ist das letzte Wort der ›jüngsten Entwicklung des Kapitalismus‹«. (...)

Wo immer man ist, in welche Richtung man auch schaut, ob bei der Arbeit oder zu Hause, ob wachend oder schlafend, man kann dem Monopol nicht entkommen. Die 500 größten Industriekonzerne der Welt, die nur 0,05 Prozent der Weltbevölkerung beschäftigen, kontrollieren 25 Prozent der weltweiten Produktion. Der Economist rechnete 1993 vor, daß die 300 größten multinationalen Konzerne (MNK) – ohne die Finanzinstitute – 25 Prozent des globalen Produktionsvermögens besitzen. Das Gesamtvermögen der 50 größten Banken und Finanzmischkonzerne der Welt beläuft sich nach der Schätzung des Economist auf 60 Prozent des mit 20 Billionen US-Dollar veranschlagten weltweiten Bestands an Produktivkapital. Ein Prozent aller MNK tätigen die Hälfte aller ausländischen Direktinvestitionen (DI). Die größten dieser Konzerne haben Umsätze, die größer sind als das Bruttosozialprodukt (BSP) zahlreicher kleinerer Staaten. (...)

Wenn wir die neun ökonomisch größten Staaten (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Brasilien, Kanada und China) weglassen, so beträgt das gesamte Bruttoinlandsprodukt (BIP) der verbleibenden 182 Länder insgesamt 6,9 Billionen US-Dollar. Der Gesamtumsatz der 200 größten Konzerne beträgt 7,1 Billionen US-Dollar.

Von den 100 größten Ökonomien der Welt sind nur 49 Staaten – 51 sind Konzerne! Der Einzelhandelsgigant Wal-Mart (USA) – der zwölftgrößte Konzern der Welt – ist größer als 161 Länder einschließlich Israel, Griechenland und Polen. Mitsubishi, der weltgrößte Konzern, ist wirtschaftlich größer als Indonesien, das bevölkerungsmäßig viertgrößte Land der Erde. Toyota ist größer als Norwegen; Ford ist größer als Südafrika und Philip Morris größer als Neuseeland.

Neues Etikett

Die sogenannte Globalisierung (der bürgerliche Fachbegriff für den wissenschaftlich korrekten Begriff »Imperialismus«) ist nur ein weiterer Ausdruck für die Überakkumulation von Kapital in den imperialistischen Zentren, mangelnde profitable Anlagemöglichkeiten und entsprechend ungenügende Profite bei der Finanzierung eines wachsenden staatlichen Sektors ebenso wie eines schnell wachsenden privaten Dienstleistungssektors. Die Hauptmerkmale dieser Globalisierung sind: extreme Monopolisierung der Wirtschaft durch Fusionen, Übernahmen und Privatisierung von staatlichen Unternehmen; weitere Zusammenschlüsse im Bankensektor und verstärkte Dominanz des Finanzkapitals, wie im folgenden aufgezeigt wird; weiter wachsender Kapitalexport; Formierung internationaler Monopolistenverbände in beispiellosem Ausmaß und entfesselter Kampf um die Neuaufteilung der Welt; Verminderung des gesellschaftlichen Lohns durch Kürzung von Sozialausgaben; erhöhte Ausbeutung der Arbeitskraft durch Deregulierung jeglicher Art, insbesondere des Arbeitsmarktes; und schließlich verstärkte zwischen- und innerstaatliche Ungleichheit.

Wie in der Industrie ist die Epoche des Imperialismus auch im Bankenbereich durch eine zunehmende Konzentration und Zentralisation gekennzeichnet. Nach jedem Jahrzehnt ist bei einer zunehmenden Zentralisation des Geldkapitals die Anzahl der Banken in immer schnellerem Tempo geschrumpft. Gab es im Jahre 1987 noch 13723 kommerzielle Banken in den USA, waren es im Jahre 1997 nur noch 9143. Falls die Konsolidierung in den USA das gleiche Ausmaß der Konzentration annehmen wird wie in Großbritannien oder Kanada, was keinesfalls auszuschließen ist, wird es insgesamt nur noch 500 Banken in den USA geben, mit einem halben Dutzend nationaler Giganten, die national wie international über einen riesigen finanziellen Einfluß verfügen.

Im Zuge der dramatischen Konsolidierung des japanischen Bankwesens fiel die Anzahl der Bankengruppen von 21 innerhalb von drei Jahren auf inzwischen nur noch acht. Tatsächlich bedeutet diese wütende Fusionswelle von Japans Banken, daß es nur noch vier Giganten in diesem Bereich gibt.

Ende März 2001 bot die Münchner Versicherung Allianz erfolgreich 24 Milliarden Euro für die Dresdner, Deutschlands drittgrößte Bank. Mit einem Schlag wurde damit ein Schritt in Richtung Entflechtung jenes komplizierten Gewebes wechselseitiger Anteile unternommen, das Deutschlands Geschäftswelt wesentlich geformt hat, und es wurden zwei gigantische Banken und Versicherungsgruppen in Europas größtem Markt geschaffen – »eine furchterregende Aussicht für andere Finanzdienstleistungsgruppen in Europa«. (Financial Times) (...)

Kapitalexport

Das jüngste Stadium des Kapitalismus ist nicht nur durch das Entstehen monopolistischer Kapitalistenverbände in allen entwickelten kapitalistischen Ländern gekennzeichnet, sondern auch durch die »Monopolstellung der wenigen überaus reichen Länder, in denen die Akkumulation des Kapitals gewaltige Ausmaße erreicht hat«, deren Folge ein »ungeheurer ›Kapitalüberschuß‹« ist. (Lenin) (...)

Selbstverständlich gäbe es die Frage des Kapitalüberschusses nicht, wenn der Kapitalismus den Lebensstandard der Massen anheben würde – ein Argument, zu dem kleinbürgerliche Kapitalismuskritiker allzu gerne Zuflucht nehmen. Kapitalismus wäre aber nicht Kapitalismus, wenn solche Dinge möglich wären. Der Kapitalismus ist zum Profitmachen da. Daher wird »Kapitalüberschuß« dahin exportiert, wo immer sich die Gelegenheit zum Profitmachen ergibt. Der Kapitalexport hat sich seit Lenins Zeiten enorm beschleunigt, besonders seit Ende des Zweiten Weltkriegs. In den Jahren 1983-1995 sind nach Angaben des Economist die ausländischen Direktinvestitionen fünfmal schneller gestiegen als der Handel und zehnmal mehr als die weltweite Produktion.

In einem wilden Wettlauf gegen fallende Profitraten in den imperialistischen Ländern, investieren die Multinationalen der imperialistischen Hauptländer heftig in den »Drittwelt«ländern (1999 208 Milliarden US-Dollar – gegenüber 178 Milliarden im Jahre 1998). Von den 1000 Milliarden DI im Jahre 2000 ging knapp ein Viertel in diese Länder. (...)

Die Rendite von DIs aus den imperialistischen Ländern in den Trikont betrug Mitte der neunziger Jahre 17 Prozent – doppelt so viel wie in den imperialistischen Ländern. Hieraus resultierte eine bemerkenswerte Beschleunigung der Abwanderung von Industrie und Dienstleistungen aus Ländern mit höheren Arbeitskosten in Drittweltländer mit niedrigen Lohnkosten. Mit Blick auf diese Zahlen, die von der U.S.-amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley ermittelt wurden, fragt der Economist am 2. November 1996: »Wen würden Sie lieber beschäftigen: einen deutschen Arbeiter, zwei Amerikaner, fünf Taiwanesen oder 128 Chinesen?«

Aufteilung der Welt

Obwohl es formal nicht mehr viele Kolonien gibt und die meisten Länder mit den Insignien politischer Unabhängigkeit ausgestattet sind, ist das charakteristische Kennzeichen der heutigen Welt dennoch in seinem Wesen dasselbe wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nämlich die Aufteilung in hegemoniale Einflußsphären unter den rivalisierenden imperialistischen Mächten. Tatsächlich ist ein irrsinniger Kampf um die Neuaufteilung der Welt bereits im Gange, und zwar zwischen den imperialistischen Zentren der USA, der EU und Japan. (...) Der Kampf in Afghanistan hat ebenso wenig mit dem »Kampf gegen den Terrorismus« zu tun wie der geplante Krieg gegen den Irak mit der Eliminierung von »Massenvernichtungswaffen«. Diese Kriege dienen lediglich dem US-Imperialismus zur Monopolisierung der Ölreserven dieser riesigen Region, die sich vom Nahen Osten bis zu den osteuropäischen Republiken der ehemaligen UdSSR erstreckt, und zur Errichtung einer unangefochtenen US-Dominanz in allen Teilen der Welt. Die herrschende Klasse der USA besteht auf der Hegemonie nicht nur über die unterdrückten Länder, sondern ebenso gegenüber imperialistischen Rivalen – zum Teil durch eine überwältigende Überlegenheit in allen Waffengattungen und zum Teil durch die Kontrolle der riesigen Ölreserven im Nahen Osten und Zentralasien.

Thomas Friedman, reaktionärer Journalist, schrieb mit seltener Offenheit in der New York Times vom 28.März 1999: »Damit die Globalisierung funktioniert, muß sich Amerika nicht fürchten, als die allmächtige Supermacht aufzutreten, die sie ist. Die unsichtbare Hand des Marktes funktioniert nicht ohne die unsichtbare Faust. McDonald’s kann nicht blühen ohne McDonnell-Douglas, den Designer der F-15, und die versteckte Faust, die die Welt für die Technologie aus Silicon Valley sicher macht, heißt Armee der Vereinigten Staaten, Luftwaffe, Marine und Marines.«

Zugleich provozieren Einschüchterung, Aggression und Arroganz der USA nicht nur den Widerstand der unterdrückten Länder, sondern ebenso Ressentiment, Unzufriedenheit und Desintegration im imperialistischen Lager, was zu Protektionismus im Handel und heftiger Rivalität in anderen Bereichen führt.

Selbstverständlich sind weder die Europäische Union unter deutscher Führung noch Japan in der Lage, den US-Imperialismus militärisch herauszufordern, da sie nicht über Nuklearwaffen verfügen. Ihre wirtschaftliche Macht hingegen ist in den vergangenen 50 Jahren enorm gestiegen. Während nach dem Zweiten Weltkrieg Japan und Europa buchstäblich am Boden lagen – mit ruinierter Wirtschaft und zerstörter Industrie, erhob sich die USA als stärkste imperialistische Macht, die allein 45 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts bestritt. Vor dem Hintergrund der Siege der Roten Armee, dem Triumph der chinesischen Revolution und der Entstehung des sozialistischen Lagers, trieb das die Gottesfurcht in die Herzen der europäischen und japanischen Bourgeoisie und ließ sie widerspruchslos den Führungsanspruch der USA als einzigen Weg akzeptieren, den Kollaps zu vermeiden und das Gespenst des Kommunismus abzuwehren.

Die Situation hat sich jedoch inzwischen drastisch verändert. Während die EU und die japanische Wirtschaft sich weiterentwickelt haben, schrumpfte die der USA – im Verhältnis betrachtet. Heute bestreitet sie 27 Prozent des weltweiten BIP. Im Gegensatz dazu ist die Wirtschaft der EU etwa gleich groß wie die amerikanische, und Japan allein hält – trotz aller Turbulenzen im vergangenen Jahrzehnt – allein 17 Prozent des weltweiten BIP. Somit wird deutlich, daß sowohl die EU als auch Japan, vor allem nach dem Verschwinden der UdSSR und des Ostblocks und der daraus resultierenden sozialistischen Gefahr, in der Lage sind, den USA »nein« zu sagen, und dies auch zunehmend tun. Sowohl der deutsche als auch der japanische Imperialismus haben auf dem Recht bestanden und es durchgesetzt, ihre bewaffneten Einheiten außerhalb ihrer nationalen Grenzen zu stationieren.

Es bilden sich deutlich drei rivalisierende Blöcke heraus – die USA mit ihrem Zugriff auf Nord- und Südamerika, Deutschland in Mittel- und Osteuropa und Japan im asiatisch-pazifischen Raum – als Vorspiel zur Erhebung von Ansprüchen im Revier des jeweils anderen, welche letzten Endes kriegerisch ausgefochten werden.

Zur Zeit kann niemand sagen, ob Deutschland oder Japan Nuklearwaffen entwickeln und wenn ja, wann. Für ihren Part sind die USA entschlossen, dies zu verhindern. Auf der anderen Seite ist es nicht jenseits jeder Wahrscheinlichkeit, daß Deutschland oder Japan oder beide ein Bündnis mit Rußland eingehen, das über die nötigen Waffen verfügt, um die USA herauszufordern. In diesem Kontext lohnt es sich, ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen, daß Kanzler Schröder die Aufnahme Rußlands sowohl in die NATO als auch in die EU befürwortet, was von den USA aus dem offensichtlichen Grund abgelehnt wird, daß dies ihre Hegemonie innerhalb der NATO bedroht.

Was immer auch die Befürworter der opportunistischen Kautsky-Theorie des Ultraimperialismus, heutzutage wiederbelebt von bürgerlichen Ideologen und Reformisten in der gegenwärtigen Arbeiterbewegung als Theorie des kollektiven Imperialismus, sagen mögen – die diversen imperialistischen Blöcke rüsten zum Kampf nicht aus Bosheit irgendeines Teils von ihnen, sondern weil die Ungleichmäßigkeit in der Entwicklung des Kapitalismus und die Krise des Imperialismus sie unweigerlich in diese Richtung treiben. Es ist unvorstellbar, daß entweder der japanische oder der deutsche Imperialismus, von denen keiner unabhängigen Zugang zu Öl – dem Grundnahrungsmittel der imperialistischen Industrie und Kriegsmaschinerie – hat, es zulassen, daß sich der US-Imperialismus die Ölreserven der riesigen Region vom Nahen Osten bis Zentralasien unter den Nagel reißt, worum es übrigens im Afghanistankrieg geht.

Eines ist gewiß sicher, nämlich, daß die Ereignisse sich zunehmend in eine Richtung bewegen, die einen innerimperialistischen Handelskrieg als Vorläufer eines wirklichen Krieges wahrscheinlich machen mit dem Ziel der Neuaufteilung bestehender Einflußsphären, Rohstoffquellen und Märkte für Waren und Kapitalexport, es sei denn, diese Entwicklung wird durch Revolution gestoppt. In diesem Kontext müssen wir all die imperialistisch geführten und inspirierten Kriege und bewaffneten Konflikte rund um den Erdball betrachten.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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