Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: gewerkschaft, Beilage der jW vom 13.08.2003

Geht noch was?

Gewerkschaften zwischen Resignation und Aufbruch?
Von Klaus Fischer

Die deutschen Gewerkschaften stecken in einer tiefen Krise. Daran sind nicht nur das Kapital und seine Medien schuld, die dem DGB und seinen Mitgliedsorganisationen gesellschaftliche Kompetenz und Verantwortung abzusprechen versuchen. Ein wesentlicher Teil der Probleme ist hausgemacht und resultiert fast zwangsläufig daraus, daß sich die deutschen Gewerkschaftsführer lange schon vom Klassenkampf verabschiedet haben. In ihrem Selbstverständnis, zwar die Interessen der Beschäftigten zu vertreten, aber gleichzeitig alles zur Stabilisierung und Sicherung des Systems zu tun, sind die Gewerkschaften nicht mehr fähig, den Spagat, der aus diesem Widerspruch resultiert, auszuhalten. Im Ergebnis verzeichnen sie einen dramatischen Mitgliederschwund, Finanzprobleme und zurückgehende Akzeptanz bei den verbleibenden Gewerkschaftern ebenso Respekt täuschen, wie bei den Kontrahenten auf der Kapitalseite.

Klassenkampf gilt als Pfui-Teufel-Wort und jeder Gewerkschaftsfunktionär, der seinen Job behalten möchte, vermeidet es tunlichst. Aber schon der alte Marx stellte fest, daß es im gesellschaftlichen Maßstab irrelevant sei, was ein Mensch zu sein sich dünkt. Entscheidend sei sein objektiver Status. Und währende das Kapital mit Hilfe der Regierenden und zahllosen – nicht schlecht bezahlten – Lobbyisten dabei ist, den Klassenkampf gegen die große Masse der Beschäftigten, besonders aber gegen die sozial Schwachen, zu verschärfen, träumen Interessenvertreter in den Gewerkschaften immer noch vom Konsens. Doch wenn die alten Regeln nicht mehr taugen, müssen neue her. Das haben Gewerkschafter und Arbeiter 1973 während der legendären wilden Streiks in der Bundesrepublik ebenso gehalten wie die Klassenorganisationen in Frankreich oder Italien. Dort gilt der Generalstreik als probates Mittel, Interessen durchzusetzen. Und hier bei uns? Sommerruhe.

Gegen das System kämpfen heißt dabei nicht Umsturz oder Revolution. Gegen das System zu kämpfen, das Reichen ermöglicht, immer reicher zu werden und dafür den Zahnersatz aus den Kassenleistungen streicht, heißt auch, kompromißlos für Umverteilung von Reichtum, Rückführung gesellschaftlich entscheidender Betriebe in Gemeineigentum und gegen ungebremste Fusionitis der Konzerne zu kämpfen. Verweise auf den internationalen Wettbewerb und den »Standort«, der gesichert werden müsse, sind Scheinargumente. Wir leben quasi in einem riesigen Bundesstaat, der Europäischen Union, deren Zuschnitt vom Großkapital konzipiert worden ist. Die Beschäftigtenorganisationen Europas könnten dafür sorgen, daß aus dem Europa der Konzerne ein Europa seiner Menschen wird. Und das ist mit Konsenseierei nicht zu schaffen, sondern nur mit den Machtmitteln, die organisierten Gewerkschaften nun einmal zur Verfügung stehen. Das sind Streiks, auch politische, sind europaweit abgestimmte Aktionen. Aber nicht, um »Arbeitsplätze« um jeden Preis zu erhalten – die dann sowieso abgebaut werden, sondern um wirkliche Arbeitsplätze schaffen zu helfen. Alternativen zur ungehemmten Bereicherung weniger, zur unkontrollierten demokratiefreien Macht der großen Shareholder, sind möglich und notwendig. Halten sich die Beschäftigtenorganisationen weiter aus der Politik heraus, wird das neue Europa eines ohne die alten Gewerkschaften sein. Druck erzeugt Gegendruck. Immer. Und jede noch so augenfällige Stärkung der Kapitalseite wird nicht verhindern können, daß sich die Beschäftigten, die Erwerbslosen, das gesamte Reserveheer des Kapitals und seiner Mitesser, anderweitig behelfen. Allerdings ist nicht alles, was möglich ist, auch wünschenswert.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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