Der heimgeholte Emigrant
Von Arnold SchölzelAlbert Einstein (1879–1955) emigrierte zweimal aus Deutschland. 1895 verließ der Sechzehnjährige unter einem Vorwand die Schule – abgestoßen vom geistigen Drill der Vorpauker des neuen deutschen Reiches – und bat seinen Vater, für ihn die Entlassung aus der baden-württembergischen Staatsbürgerschaft zu beantragen. Dem wurde 1896 entsprochen.
Im Sommer 1932 dachte er – nach fast 19jähriger Tätigkeit an der Berliner Akademie – daran, Europa zu verlassen. Seit der Übertragung der Regierungsgewalt an Franz von Papen waren die Weichen für das Ende der Weimarer Republik gestellt. Ende Februar 1933 erklärte Einstein im kalifornischen Pasadena, er werde sich nur in einem Land aufhalten, wo politische Freiheit, Toleranz und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz herrschen. Er schloß mit dem Satz: »Ich hoffe, daß in Deutschland bald gesunde Verhältnisse eintreten werden und daß dort in Zukunft die großen Männer wie Kant und Goethe nicht nur von Zeit zu Zeit gefeiert werden, sondern daß sich auch die von ihnen gelehrten Grundsätze im öffentlichen Leben und im allgemeinen Bewußtsein durchsetzen.«
Die Nazis hatten seine Stellungnahmen gegen den Ersten Weltkrieg, sein Engagement für die Unterstützung der jungen Sowjetunion und sein Auftreten gegen Antisemitismus nicht vergessen. Noch bevor seine Austrittserklärung aus der Akademie der Wissenschaften in Berlin eintraf, ordnete das faschistische Wissenschaftsministerium gegen ihn ein Disziplinarverfahren wegen »Deutschenhetze« an. Am 1. April 1933, dem Tag des Juden-Boykotts in Deutschland, erklärte die Akademie, sie habe keinen Grund, Einsteins Austritt zu bedauern. Sie empfinde das »agitatorische Auftreten Einsteins im Auslande« um so schwerer, als sie seit alten Zeiten sich aufs engste mit dem Preußischen Staat verbunden fühle und stets den »nationalen Gedanken« betont und bewahrt habe. Einstein kehrte nicht wieder nach Deutschland zurück.
Fünfzig Jahre nach seinem Tod schmückt sich die neue, kriegführende und Kriege vorbereitende Bundesrepublik mit dem Werk des Physikers und Kriegsgegners, vermarktet den Emigranten hemmungslos. Fünfzehn Jahre nach der Abwicklung Zehntausender DDR-Wissenschaftler, letztlich wegen Arbeit für eine »undeutsche« Regierung, führen die politischen Koryphäen des Anschlußreiches vom Bundeskanzler aufwärts flotte Sprüche über Wissenschaft und Elite im Mund. An Regierungsgebäuden hängen Transparente mit Einstein-Zitaten, auch an jenem Roten Rathaus in Berlin, dessen derzeitiger PDS-gestützter Bürgermeister sich weigert, über eine symbolische Rehabilitierung von DDR-Gelehrten nachzudenken. Das ist auch gut so. Wo Rache statt Recht regiert, wo ein sozialer Krieg nach innen den nach außen geführten begleitet, sind Wissenschaft und Frieden falsch aufgehoben. Für Einstein schloß Wissenschaft den Kampf gegen Krieger ein. Das heutige Deutschland demonstriert seit 1990, daß Krieg wieder Vorrang vor Frieden und damit vor Wissenschaft hat.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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