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Aus: kinder, Beilage der jW vom 01.06.2005

Guck mich an!

Heute ist Weltkindertag. Es gibt zu viele arme Kinder und kinderarme Linke
Von Jana Frielinghaus

»Du sollst zu mir gucken und nicht in die Zeitung! Ich bin viel wichtiger«, hat mein Sohn vor ein paar Tagen zu mir gesagt. Dem läßt sich kaum widersprechen. Wenn sie erst mal auf der Welt sind, die kleinen Nervensägen, fällt einem tatsächlich nichts mehr ein, was annähernd so bedeutend wäre.

Daß Kinder die schutzbedürftigsten, weil schwächsten Mitglieder der menschlichen Gesellschaft sind, hat 1954 die UNO in einer Resolution konstatiert. Darin werden ihre wesentlichen Rechte benannt. Und es wurde beschlossen, daß es von nun an einen Weltkindertag geben solle. Wann der zu feiern ist, wurde jedem Staat freigestellt. Es stecken also ausnahmsweise keine ideologischen Gründe dahinter, daß der Internationale Kindertag in der DDR am 1. Juni und in der BRD am 20. September begangen wurde. Übrigens wird der 1. Juni sowohl in den USA als auch in der Volksrepublik China als Weltkindertag gefeiert. Mittlerweile werden auch mancherorts in Westdeutschland an beiden Tagen Kinderfeste zelebriert. Selbst die bayerische Familienministerin Christa Stewens nutzte vergangenes Jahr den 1. Juni, um mehr »Zeit, Verständnis und Geduld für Kinder« anzumahnen – und nicht nur an »Gedenktagen«.

Das Wort »Gedenktag« ist gar nicht so falsch. Der Mehrheit der Kinder auf der Welt geht es nicht gut, UNICEF und andere Organisationen berichten Jahr um Jahr darüber. Die PDS hatte mal in einer Ecke ihrer Website ein Banner eingerichtet, auf dem wie bei einer Digitaluhr zu sehen war, wie sich die Zahl der toten Kinder im Sekundentakt vergrößert. Faßbarer wird die Tatsache, daß alle zehn Sekunden ein Kind an mit lächerlich geringem Aufwand zu vermeidenden Krankheiten wie Tetanus oder Durchfall stirbt, dadurch nicht. Millionen von Kindern sterben durch Waffen, die in Ländern wie der BRD produziert wurden. Auch unter einer sozialdemokratisch geführtenBundesregierung investiert der Exportweltmeister Deutschland viel Personal und Geld, um minderjährige Flüchtlinge loszuwerden. Ihnen werden die in der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 festgehaltenen Rechte vorenthalten. Auch hier geborene Kinder von Migranten werden gnadenlos ins Herkunftsland ihrer Eltern abgeschoben, von dem sie häufig nicht einmal die Sprache beherrschen.

Gleichzeitig leben in der reichen Bundesrepublik immer mehr Kinder in Armut. Nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes werden allein durch die sogenannten Arbeitsmarktreformen der Schröder-Regierung rund weitere 500 000 Kinder von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sein. Aus regierungsamtlichen Statistiken geht auch hervor, daß Familien mit zwei und mehr Kindern überdurchschnittlich oft arm sind.

Die geringe Geburtenrate in der BRD (1,3 Kinder je Frau) hat durchaus mit diesem »Armutsrisiko« und mit dem miserablen Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen zu tun. Aber sie ist natürlich auch ein Phänomen der »ersten Welt«, in der es die Wahlfreiheit zwischen Kinderkriegen und Selbstverwirklichung für die breite Mehrheit überhaupt gibt. Kinder will nicht jeder haben, das Großziehen von Nachwuchs ist tatsächlich eine ernsthafte Bewährungsprobe für Frauen und Männer und deren Verhältnis zueinander. Auch wäre es kein Drama, wenn die Zahl der Menschen auf der Erde irgendwann nicht weiter wachsen würde. Trotzdem wäre gerade der Linken hierzulande mehr Mut zum Wunder Kind zu wünschen. Denn auch die kinderarme Welt der deutschen Linken ist eine eitle, kalte Welt, in der Debatten häufig erbittert und um des Rechthabens willen geführt werden, und nicht, um wirklich Wege zu einer neuen Gesellschaft auszuprobieren.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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