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Aus: weltjugendtag, Beilage der jW vom 15.08.2005

Aufstehen statt niederknien

Geschichte des Katholizismus reicht von der Urkundenfälschung bis zum Angriffskrieg. Noch heute zehrt das deutsche Episkopat von Hitlers Zugeständnissen
Von Klaus Hartmann

»Weltjugendtag« heißt die fromme Heerschau dieser Tage in Köln, der Name jedoch ist Anmaßung: Obwohl Hunderttausende erwartet werden, die »Weltjugend« ist das nicht – es ist ebenso wenig das Treffen von Atheisten wie von Buddhisten, Muslimen oder Hindus, Juden oder orthodoxen Christen.

Zumindest der Form nach geht die katholische Kirche mit der Zeit: »Event« ist angesagt, eine Pop-, Polit- und Glaubensshow wird inszeniert, und wie in der üblichen kommerziellen Event-»Kultur« droht Seichtigkeit die Inhalte zu verdrängen, ernsthafte Anliegen und Fragen unterzubuttern. Wer der Kirche nichts Gutes wünscht, kann das Spektakel mit einer gewissen Schadenfreude sehen.

Jedoch: Nicht jeder Anreisende wird nur auf Glamour, Wellness, Frömmelei und Massenpsychose versessen sein. Manche werden sich darunter befinden, die sich gegen Sozialabbau wehren wollen, gegen Armut, Kälte und Entsolidarisierung. Es werden Menschen dasbeisein, die für Abrüstung und gegen Krieg streiten wollen, für Völkerfreundschaft und eine gerechte Welt.

Auf die Frage, von wem und zu wessen Nutzen die Propagandashow veranstaltet wird, gibt es nur die Antwort, daß der Vatikan der völlig falsche Verein ist, um Humanität und Gerechtigkeit zu erreichen. Der Vatikan ist eine kriminelle Organisation, von Anfang an, nicht nur mal vorübergehend im Mittelalter, sondern bis zum jüngsten Tag.

Der Krimi beginnt mit einer gefälschten Urkunde, bekannt als angebliche »Konstantinische Schenkung«, die den römischen Päpsten territoriale Ansprüche und weltliche Macht garantieren sollte. Darin hieß es, Kaiser Konstantin I. (nicht Gott!) habe ihnen Vorherrschaft und Weisungsbefugnis über alle anderen Kirchen verliehen, nebst einem dem Kaiser gleichen Rang.


Es gab keine Entschuldigung

Die frühmafiöse Gaunerei begründete das stabile Bündnis der Kirche mit den Mächtigen aller Zeiten, mit Sklavenhaltern, Ausbeutern und Schwerverbrechern. Von Paulus bis zu den Kirchenlehrern Ambrosius und Augustinus wird die Armut (der Armen) gepriesen, die Sklaverei verteidigt, Folter erlaubt, der Krieg geheiligt. Mit der Macht des Klerus stieg die aggressive Judenfeindschaft, Massaker an ostfranzösischen und deutschen Juden stimulierten den Blutdurst der Kreuzfahrer, bevor sie auf dem Weg ins »Heilige« Land ihre orthodoxen Glaubensbrüder auf dem Balkan abschlachteten und schließlich im Zielgebiet über die Muslime herfielen.

Kreuzzügen gegen Ketzer folgte die »Heilige« Inquisition, auf deren Scheiterhaufen in Europa Zehntausende »Hexen« verbrannt wurden. Ihr letztes Todesopfer fand sie in Spanien noch im 19. Jahrhundert. Auch Philosophen und Naturwissenschaftler wie Giordano Bruno wurden als »Ketzer« auf dem Scheiterhaufen ermordet. Die in der Hexenverbrennung manifeste Sexual- und Frauenfeindlichkeit der Kirche lebt fort, wenn Karol Wojtyla künstliche Geburtenkontrolle und Abtreibung »abscheuliche Verbrechen« nannte.

Als Mittelalter-Erbschaft pflegt der Vatikan nicht nur Wallfahrten zu »Wundern« wie dem »Heiligen Rock«, sondern auch den Glauben an den Teufel, zu dessen »Austreibung« er göttlich geprüfte Exorzisten ausbildet und beruft, sein letztes Handbuch zum Thema erschien 1999.

Nach Umbenennung hieß die massenmörderische Inquisition »Kongregation für die Glaubenslehre«, und ihr Präfekt bis vor kurzem Ratzinger. Auch mit neuem Namen steht die Behörde in Treue fest zu den Herrschenden, was der Befreiungstheologe Leonardo Boff zu spüren bekam. Sein Eintreten für eine Kirche, die die Menschenrechte der Armen verteidigt, ahndete Oberinquisitor Ratzinger mit einem Rede- und Lehrverbot.

Weitverbreitet, doch bloß eine fromme Legende ist, daß sich Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 für Verbrechen der Kirche entschuldigt habe. Trotz des Titels »Mea Culpa« war weder von seiner noch der Schuld der Kirche die Rede. Nur »Einzelne« hätten »gefehlt«... Insbesondere auf den Faschistenförderer Papst Pius XII. soll kein Schatten fallen. Emil Carlebach, antifaschistischer Widerstandskämpfer und Freidenker, erinnerte sich: »Im KZ Buchenwald lernte ich den tschechischen Priester Pater Plojhar kennen, er hatte sich dem antifaschistischen Kampf angeschlossen. Ihn exkommunizierte Pius XII. Mir ist keiner der faschistischen Massenmörder bekannt, den dieser ›Fromme‹ exkommuniziert hätte.«

Als die kroatischen Ustascha-Faschisten im »unabhängigen« Kroatien von Hitlers Gnaden ein monströses Schlachthaus für Serben, Juden, Sinti und Roma errichteten, war es für Kardinal Alojzije Stepinac »jedoch leicht, die Hand Gottes in diesem Werk zu erkennen«. Vor der Roten Armee brachte die Ustascha Gold im Wert von 200 Millionen Dollar in Sicherheit – in den Vatikan. und der organisierte die »Rattenlinie«-Fluchthilfe, mit der die Naziverbrecher aus Europa nach Südamerika flohen. Zur Zerschlagung Jugoslawiens gab der Vatikan 1990 einen Kredit über vier Milliarden Dollar an die kroatischen Sezessionisten, und im Herbst 1998 sprach Woityla den Ustascha-Schutzpatron Stepinac selig, genau zur rechten Zeit – des »Aktivierungsbefehls« zur Vorbereitung der NATO-Aggression gegen Jugoslawien.

Als hätte nicht auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten beider Weltkriege beim Überfall auf die europäischen Nachbarn die Losung »Gott mit uns!« gestanden, predigt der gastgebende Kölner Kardinal Joachim Meisner bei seinem alljährlichen »Soldatengottesdienst« solch gefährliche Mystik wie »In betenden Händen ist die Waffe vor Mißbrauch sicher.«

Das im Juli 1933 zwischen Vatikan und Hitlerdeutschland geschlossene Reichskonkordat begründet neben zahllosen Privilegien der Kirche auch die »Militärseelsorge«, und wegen »Neuausrichtung der Bundeswehr« auf weltweite NATO-Interventionen sieht Militärbischof Walter Mixa deren »Schwerpunkt in seelsorgerischer Einsatzbegleitung«.


Heiligsprechung eines Klerikalfaschisten

Für Ruhe an der Heimatfront soll derweil Woityla-Ratzingers »Neuevangelisierung« Europas sorgen, mittels Roll Back von Aufklärung und widerständigem Denken. Welche Hilfstruppen dazu antreten sollen, zeigt eine Heiligsprechung im Rekordtempo an – die eines anderen Klerikalfaschisten: Josémaria Escrivá, Gründer der reaktionären Opus Dei-Sekte, Vertrauter von Diktator Franco, Drahtzieher im Netz Opus-Dei-Vatikanbank-Mafia-P2-Loge-Berlusconi-CIA. Ehrensache, daß der Papst den Opus-Dei-Seminaristen der Kölner Kirche Sankt Pantaleon seine Aufwartung macht.

Ist es göttliche Fügung, daß die Verpflegung der WJT-Teilnehmer auf dem Marienfeld vom selben Caterer Sodexho geliefert wird, der auch die US-Besatzungstruppen im Irak ernährt? Schon mal zum Eingewöhnen: eine Marien-Feldverpflegung? Nächstenliebe auf den Lippen, aber bald wieder Blut an den Händen? Auch gläubige Menschen sollten zu neuen Kreuzzügen aller Art sagen: »Nicht in unserem Namen!«

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!