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Aus: uni-spezial, Beilage der jW vom 18.10.2006

Gleichheit ist out

Bisher orientierte die Politik zumindest verbal auf die Breitenbildung. Damit ist nun Schluß. Studiengebühren und Exzellenzuniversitäten sprechen eine deutliche Sprache: Weg mit dem Egalitätsprinzip
Von Ralf Wurzbacher
Auf dem Weg nach oben
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Schlechte Jahre haben Studierende schon etliche hinter sich. Aber jetzt wird noch mal kräftig nachgetreten. 2006 wird in die Geschichte eingehen. Über drei Jahrzehnte nach Abschaffung des sogenannten Hörergeldes ist der Startschuß für die Wiedereinführung von Studiengebühren gefallen. Als Pioniere wider Willen trifft es zum beginnenden Wintersemester zunächst die Studienanfänger in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Niedersachsen. 500 Euro pro Semester müssen die Neulinge dafür hinblättern, demnächst in überfüllten Hörsälen zu ächzen, zu Hunderten von einem Dozenten betreut zu werden und sich durch veraltete Bibliotheksbestände zu wühlen. Die bereits leiderprobten älteren Semester werden für all das ab kommendem Jahr zur Kasse gebeten: Nicht nur in NRW und Niedersachsen, sondern auch in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und im Saarland. Von den restlichen neun Bundesländern sind einige zur Nachahmung bereit.

Kassiert wurde 2006 noch eine weitere Errungenschaft aus besseren Zeiten. Mit der Kür der Sieger der sogenannten Exzellenzinitiative Ende vergangener Woche hat sich bis auf weiteres auch das Egalitätsprinzip in Deutschlands Hochschulwesen erledigt. Es war jahrzehntelang ein Gütesiegel, Qualität in der Breite und nicht allein an der Spitze zu gewährleisten. Die offizielle Schaffung einer Handvoll »Eliteuniversitäten« macht dem nun ein Ende. Staatliche Fördergelder und Drittmittel aus der Wirtschaft werden in Zukunft mehr noch als bisher in die Beletage der »Leuchtturm«-Unis fließen, während der große Rest der Hochschulen nur noch zur Massenabfertigung gebraucht wird. Schlechte Aussichten auch für Absolventen: Einem Unternehmer wird bald die Entscheidung leichter gemacht, den Bewerber von der Musteruni München dem aus Chemnitz vorzuziehen.

Dennoch heißt es von der Politik, all dies geschehe nur zum Wohle der Hochschulen und Studierenden. Schließlich stellten deutsche Unis im internationalen Vergleich nur Mittelmaß dar. Aber woran bemißt sich Qualität? Daran, daß demnächst ein paar mehr Nobelpreisträger und Spitzenmanager mit Weltruf aus Deutschland kommen? Selbst die wirtschaftsnahe Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) setzt andere Schwerpunkte. Erst im September hat sie die Bundesregierung zum wiederholten Male aufgefordert, die Hochschulen für deutlich mehr und insbesondere sozial benachteiligte Jugendliche zu öffnen.

Nach der vorgelegten Studie »Bildung auf einen Blick 2006« begannen 2004 in Deutschland nur 37 Prozent eines Jahrgangs ein Studium, im OECD-Mittel waren es über 50 Prozent, in Ländern wie Finnland, Schweden und Australien sogar 70 Prozent und mehr. Die Verantwortlichen in Bund und Ländern behaupten, sie hätten das Problem erkannt: Warum wurden dann aber in den zurückliegenden Jahren in etlichen Bundesländern Studienplätze im großen Stil abgebaut und zahllose Studiengänge mit einem Numerus clausus belegt? Und weshalb sollten ausgerechnet dann mehr Menschen ein Studium aufnehmen, wenn höhere Bildung nur noch gegen Bares oder durch Anhäufen hoher Schuldenberge zu haben ist?

So ernüchternd die Lage auch erscheinen mag, ganz hoffnungslos ist sie nicht. In vielen Bundesländern ist der Unmut an den Hochschulen merklich größer geworden. In Hessen sind Studierende über Wochen und Monate zu Tausenden gegen die Politik der Landesregierung auf die Straße gegangen. In Nordrhein-Westfalen und Hamburg wurden im Sommersemester fast im Wochentakt Unirektorate und Hochschulbehörden besetzt. Vielerorts laufen Vorbereitungen, die Gebührengesetze vor Gericht oder per Zahlungsboykott zu Fall zu bringen. Und am 21.Oktober wollen Studierende und Schüler in fünf Städten gemeinsam mit Gewerkschaftern gegen Sozial- und Bildungsabbau demonstrieren. Alle, die sich den Protesten nicht anschließen, sollten wissen: Wer nicht kämpft, der hat schon verloren!

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!