Frauen im Krieg
Von Jana FrielinghausNatürlich wird es keine Feministin geben, die expressis verbis behauptet, Frauen seien die besseren Menschen. Aber genau diese Auffassung kommt zum Ausdruck, wenn beispielsweise eine Vertreterin der Feministischen Partei – Die Frauen erklärt, die Sozialstaatsverweserin Angela Merkel und die Kriegstreiberin Condoleezza Rice machten »Männerpolitik«. Deshalb seien sie keine Frauen, sondern »Männerfrauen« (siehe jW vom 31.8.2005). Wer so argumentiert, sitzt dem derzeit recht populären Biologismus auf, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Bekanntlich gibt es eine in den Medien ausgiebig beleuchtete Strömung unter Naturwissenschaftlern, die Männer und Frauen faktisch zu Sklaven ihrer Gene und Hormone erklärt – was gern dahingehend gedeutet wird, daß alte Rollenmuster schon ihre Berechtigung haben. Dieser Tage drucken die Zeitungen reichlich Interviews mit der US-amerikanischen Neuropsychologin Louann Brizendine, die in ihrem soeben auf Deutsch erschienenen Bestseller über das weibliche Gehirn erklärt, daß bei männlichen Embryonen durch Testosteron »Zellen im Kommunikationszentrum des Gehirns« zerstört und solche im »Aggressions- und Sexualitätszentrum« ausgebaut werden, womit die klassische Arbeitsteilung zwischen dem Verteidiger Mann und der Nachwuchshüterin Frau erklärt wäre. Die Wissenschaftlerin sieht sich gleichwohl als Feministin und will nur Hintergrundwissen liefern, auf dessen Basis Ansätze für die zivile Konfliktlösung entwickelt werden könnten.
Es ist keine Frage, daß Frauen stärker in die Beilegung von Konflikten und in die Gestaltung von Nachkriegsgesellschaften einbezogen werden müssen – nicht nur wegen ihrer nun angeblich erwiesenen besseren Kommunikationsfähigkeit. Denn nicht nur die Kriege werden in der Regel ohne Beteiligung von Frauen geplant und vom Zaun gebrochen, sondern auch beim Wiederaufbau von Infrastruktur und Institutionen bleiben sie international marginalisiert.
Doch der strikte Pazifismus vieler feministischer Gruppen hierzulande verrät einen etwas eingeschränkten Blick auf die Welt. Nicht alles läßt sich »im Gespräch« klären. Vielfach sehen sich Menschen in Entwicklungsländern ganz konkret von Global Playern in ihrer Existenz angegriffen. In den 60er Jahren kämpften Völker in Afrika und Lateinamerika um ihre Unabhängigkeit von den alten Kolonialmächten, die aus ihnen das Letzte herauspreßten, Bodenschätze raubten und natürliche Vielfalt und Fähigkeiten der Menschen nachhaltig zu zerstören drohten. In vielen nationalen Befreiungsbewegungen kämpften Frauen erstmals gleichberechtigt Seite an Seite mit den Männern. Pazifismus konnten sie sich nicht leisten, so furchtbar das war – nicht zuletzt für sie selbst.
Patriarchale Verhältnisse prägen bis heute die meisten Gesellschaften. In letzter Konsequenz ist für die Fortexistenz gewalttätiger Strukturen aber die Herrschaft des Kapitals verantwortlich. Wenn Frauen für die Aufrechterhaltung dieser Ausbeutungsverhältnisse arbeiten, sind sie genauso Gegnerinnen des gesellschaftlichen Fortschritts wie männliche Konzernlenker, Politiker, Soldaten. Bei aller spezifischen Betroffenheit von Frauen durch Krieg und seine Folgen, bei aller Empörung darüber, daß Männer ihre Aggressionen nach der Schlacht immer noch ungestraft an Frauen und Mädchen abreagieren können: Gewaltverhältnisse lassen sich auf die Dauer nur bekämpfen, wenn deren Klassencharakter nie vergessen wird. Ihr patriarchaler Charakter ist nicht systemimmanent, wie die Entwicklung der letzten Jahrzehnte in den Industriestaaten zeigt. Hier profitieren Frauen tendenziell genau wie Männer von Ausbeutung und von Kriegen um Ressourcen, seit ihre automatische Zurücksetzung qua Geschlecht weggefallen ist – nicht, weil sie sich dem Patriarchat unterwerfen, sondern weil sie den entfesselten Kapitalismus mitgestalten. Dazu müssen sie nicht besonders herzlos, also irgendwie unweiblich, sein. Auch bei ihnen bestimmt erst einmal das Sein das Bewußtsein.
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