Wir sind umkringelt!
Von Christof MeuelerWitz komm raus, du bist umzingelt. Für die Bolschewiki war diese Phrase tödlicher Ernst. Die erste siegreiche proletarische Revolution der Geschichte galt den weltweiten Bourgeoisien als absurder Scherz, dessen bolschewistische Urheber man umstandslos liquidieren wollte. Vor der Oktoberrevolution 1917 waren 90 Prozent der russischen Bergwerke in ausländischem Besitz, ebenso 50 Prozent der chemischen Industrie, 40 Prozent der Maschinenfabriken und 40 Prozent des Bankkapitals. Die oft beschworene Kühnheit der Bolschewiki bestand vor allem darin, daß sie diese Besitzverhältnisse in visionärer Perspektive umstürzten – für ein zwar mehrheitlich sehr klassenbewußtes, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung aber verschwindend geringes Proletariat. Im riesigen, summa summarum mittelalterlich rückständigen Rußland gab es nur etwa drei Millionen Menschen, die in der Großindustrie tätig waren. Fast alle anderen lebten auf dem Land und zwar unter derart schlechten Bedingungen, daß viele verzweifelte Bauern in den Wintern daran gingen, die Strohdächer ihrer Hütten aufzuessen.
Die dringend erforderliche Modernisierung dieser desaströsen Ökonomie konnte nur über die Ausweitung des industriellen Sektors bewerkstelligt werden. Doch nach der Revolution wurden die Proletarierer zunächst nicht mehr, sondern weniger. Zwar kämpfte die junge Sowjetmacht für die Diktatur des Proletariats ausländische Interventionsarmeen wie inländische Aufstandsbataillone nieder, doch hatte sich nach dem Sieg im Bürgerkrieg das Proletariat halbiert: 1,5 Millionen Arbeiter waren in der Industrie beschäftigt, der Rest war im Kampf für die Bolschewiki gestorben oder arbeitslos geworden, weil die Fabriken zerstört oder geschlossen wurden. Die Gegensätze von Stadt und Land hatten sich noch verschärft, es gab kaum genügend Nahrung. Wer noch in einer Fabrik arbeitete, bediente sich am Interieur, um am Schwarzmarkt das Überlebensnotwendige einzutauschen, da die Löhne aufgrund des entwerteten Rubels wertlos waren. Es gibt Schätzungen, daß damals 50 Prozent der Arbeiter alles stahlen, was sie produzierten. In dieser prekären Situation begriff sich die Führung der bolschewistischen Partei als Stellvertreterin für eine faktisch kaum noch existente Arbeiterklasse, »als Herrin über eine unter großen Schwierigkeiten gehaltene belagerte Festung, die noch immer verteidigt und aus ihren Trümmern wieder aufgebaut werden mußte, um als Grundlage für eine neue Gesellschaftsordnung zu dienen«, wie Isaac Deutscher in »Die unvollendete Revolution« schreibt.
Witz komm raus, du bist umkringelt. Bei der Erörterung der Krisen und Katastrophen der sich trotz alledem entwickelnden sowjetischen Gesellschaft verfügten die Bolschewiki über einen eigenen Humor. Sie reichten sich in den Sitzungen der Führungsgremien der Partei und des Staats kleine Zettelchen herum, auf denen sie Karikaturen, Kommentare und Späßchen angefertigt hatten. Diese wurden teilweise von den Betrachtern ergänzt, so schrieb Josef Stalin mit seiner berühmten blauen Tinte auch mal ein »sehr richtig!« drauf. Mitunter ging es recht albern zu: »Tschubariki-tschubtschiki, Tschubariki-tschubtschiki« reimt beispielweise Nikolai Bucharin als Chefredakteur der Prawda unter Verwendung eines bekannten Liedchens über Wlas Tschubaru, damals Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der Ukraine, den er mit Zahnrad, Hammer, Sichel und Pfeffer- und Salzglas porträtiert. Waleri Meschlauk (unter anderem Chef der staatlichen Planungskommission) zeichnet das ZK-Mitglied Gleb Krshishanowski über einem Buch brütend, in dem es um »Problemologie« geht.
Zu finden sind derartige Sitzungsergebnisse in dem nun auf deutsch vorliegenden Band »Schweinefuchs und das Schwert der Revolution. Die bolschewistische Führung karikiert sich selbst«, herausgegeben von Alexander Vatlin und Larissa Malaschenko. Eine Sammlung von Zeichnungen und Schmähungen, mit denen Bolschewiki einander bedachten, wenn ihnen ihre Zusammenkünfte zu ermüdend oder ihre Gegenüber als zu nervig erschienen. Diese Skizzen wurden mit Federhalter, Bleistift oder Pinsel meist auf Parteidokumente gekritzelt und schließlich fanden sie irgendwann den Weg ins Zentrale Parteiarchiv der KPdSU, das heute Russsiches Staatsarchiv für gesellschaftliche und politische Geschichte heißt. Dort arbeitet auch Larissa Malaschenko, Alexander Vatlin ist Historiker an der Moskauer Lomonossow-Universität. In der Zwischenkriegszeit hatten sich viele der Zeichnungen beim Volkskommissar für Verteidigung Kliment Woroschilow eingefunden, der sich als Sammler begriff.
Die meisten der vorliegenden Kritzelkunst-Arbeiten stammen von Bucharin, Meschlauk und dem Prawda-Redakteur Jemeljan Jaroslawski, der sich auf klassische Porträts beschränkt. Am begabtesten wirkt Bucharin, der vormalige »Liebling der Partei« (Lenin), der ebenso leicht wie prägnant und witzig zeichnet, wie er sich auch kleine Lieder und Gedichte als Dreingabe einfallen läßt. Den zeitweiligen Komintern-Chef Grigori Sinojew läßt er mit Superbauch auf Minibeinen auftauchen, genannt »Das ›Juwel‹ (nämlich der Führer des Weltproletariats«). Demgegenüber erscheint Meschlauks Technik zwar unbeholfener und erinnert etwas an naive Schulbankkunst, doch er bringt die Politik mehr auf den Punkt. Etwa, wenn er 1934 Lew Kamenews Selbstbezichtungsauftritt beim 17. Parteitag mit den Worten »Kamenew seziert sich selbst« festhält und einen Kamenew zeigt, der vor einem auf einer Bahre liegenden Kamenew steht und diesem das erigierte Glied abschneidet. Als im Verlauf des Stalinschen »Großen Terrors« Bucharin an der Reihe war, zeichnet ihn Meschlauk als doppelte Figur mit Heilgenschein und der Bildunterschrift »Der heilige Narr«. Als »tragische Übereinstimmung« werten Vatlin/Malaschenko die Tatsache, daß sich Bucharin im Selbstporträt als »Schweinefuchs« entwirft und im dritten Schauprozeß 1938 von Chefankläger Andrej Wyschinski entgegengschmettert bekommt: »Und Bucharin, diese verfluchte Spottgeburt von einem Fuchs und einem Schwein, wie verhielt er sich in der Frage? Wie es sich für einen Fuchs und ein Schwein geziemt!«
Ist die gängige Geschichtsschreibung schon extrem personalisierend (und verhandelt rivalisierende politische Interessen nur durch die Namensnennung exponierter Protagonisten wie Stalin, Trotzki, Bucharin etc), so sind es diese Zeichnungen allemal: Divergierende Konzepte werden zur Karikatur einer Einzelperson, die es in der Regel machistisch besorgt bekommt. Hier beleidigt sich eine geschlossene Männergesellschaft, die einzig porträtierte Frau ist Nadeschda Krupskaja, Lenins Ehefrau und übrigens ab 1929 stellvertretende Volkskommissarin für Bildung. Einer Zeichnung von Meshlauk, die zeigt, wie der Volkskommissar für Finanzen Nikolai Brjuchanow 1930 nackt an seinen Hoden hängt, legte Josef Stalin folgende Notiz bei: »Hängt Brjuchanow für alle seine Sünden, die alten und die neuen, an den Eiern auf. Wenn die Eier halten, betrachtet ihn als entlastet, wenn sie nicht halten, ertränkt ihn im Fluß.« Verhaftet und erschossen wurde Brjuchanow allerdings erst 1938.
Im Zuge der Säuberungen wurde nicht nur das bolschewistische Machtmonopol in der Person Stalins, dem Sieger in allen Parteikämpfen, individualisiert, sondern auch die Karikaturenproduktion. Man fertigte die Zeichnungen zunehmend als private Notizen und weniger zur allgemeinen Belustigung der Kollegen an. Witze wurden lebensgefährlich, ein Vorwand der Denunziation in der psycho-politischen Hysterie des »Großen Terrors«. Die Mehrzahl der in dem Buch versammelten karikierenden wie karikierten Personen wurden umgebracht. Unter Umständen konnte die Stalin-Fraktion die Versuche ihrer verschiedenen Widersacher, angefangen bei der Arbeiteropposition über die Trotzkisten, Sinowjewisten, Bucharinisten bis in die eigene Gefolgschaft hinein, den einstigen revolutionären Elan und Ethos gegen die barbarisch-bürokratische Realpolitik auszuspielen, als humorige Einlagen wahrnehmen, auf Dauer dulden wollte sie das nicht.
Das bolschewistische Dilemma, viel diskutieren zu müssen, es aber immer weniger zu dürfen, hat Isaac Deutscher so zusammengefaßt: »Die Formen des Sozialismus waren geschaffen worden, bevor sein Inhalt, die wirtschaftliche und kulturelle Substanz, vorhanden war; und als der Inhalt geschaffen wurde, hatten Verfall und Entstellung eingesetzt.« Von Stalin findet sich in der Sammlung nur ein kleines ungelenkes Porträt des ZK-Mitglieds Georgi Pjatakow, das er aber mit einer ebenso zackigen wie selbstironischen Unterschrift versehen hat: »ein Beispiel orientalischer Kunst«.
Witz komm raus, du bist umzingelt. Für die Bolschewiki war diese Phrase tödlicher Ernst. Die erste siegreiche proletarische Revolution der Geschichte galt den weltweiten Bourgeoisien als absurder Scherz, dessen bolschewistische Urheber man umstandslos liquidieren wollte. Vor der Oktoberrevolution 1917 waren 90 Prozent der russischen Bergwerke in ausländischem Besitz, ebenso 50 Prozent der chemischen Industrie, 40 Prozent der Maschinenfabriken und 40 Prozent des Bankkapitals. Die oft beschworene Kühnheit der Bolschewiki bestand vor allem darin, daß sie diese Besitzverhältnisse in visionärer Perspektive umstürzten – für ein zwar mehrheitlich sehr klassenbewußtes, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung aber verschwindend geringes Proletariat. Im riesigen, summa summarum mittelalterlich rückständigen Rußland gab es nur etwa drei Millionen Menschen, die in der Großindustrie tätig waren. Fast alle anderen lebten auf dem Land und zwar unter derart schlechten Bedingungen, daß viele verzweifelte Bauern in den Wintern daran gingen, die Strohdächer ihrer Hütten aufzuessen.
Die dringend erforderliche Modernisierung dieser desaströsen Ökonomie konnte nur über die Ausweitung des industriellen Sektors bewerkstelligt werden. Doch nach der Revolution wurden die Proletarierer zunächst nicht mehr, sondern weniger. Zwar kämpfte die junge Sowjetmacht für die Diktatur des Proletariats ausländische Interventionsarmeen wie inländische Aufstandsbataillone nieder, doch hatte sich nach dem Sieg im Bürgerkrieg das Proletariat halbiert: 1,5 Millionen Arbeiter waren in der Industrie beschäftigt, der Rest war im Kampf für die Bolschewiki gestorben oder arbeitslos geworden, weil die Fabriken zerstört oder geschlossen wurden. Die Gegensätze von Stadt und Land hatten sich noch verschärft, es gab kaum genügend Nahrung. Wer noch in einer Fabrik arbeitete, bediente sich am Interieur, um am Schwarzmarkt das Überlebensnotwendige einzutauschen, da die Löhne aufgrund des entwerteten Rubels wertlos waren. Es gibt Schätzungen, daß damals 50 Prozent der Arbeiter alles stahlen, was sie produzierten. In dieser prekären Situation begriff sich die Führung der bolschewistischen Partei als Stellvertreterin für eine faktisch kaum noch existente Arbeiterklasse, »als Herrin über eine unter großen Schwierigkeiten gehaltene belagerte Festung, die noch immer verteidigt und aus ihren Trümmern wieder aufgebaut werden mußte, um als Grundlage für eine neue Gesellschaftsordnung zu dienen«, wie Isaac Deutscher in »Die unvollendete Revolution« schreibt.
Witz komm raus, du bist umkringelt. Bei der Erörterung der Krisen und Katastrophen der sich trotz alledem entwickelnden sowjetischen Gesellschaft verfügten die Bolschewiki über einen eigenen Humor. Sie reichten sich in den Sitzungen der Führungsgremien der Partei und des Staats kleine Zettelchen herum, auf denen sie Karikaturen, Kommentare und Späßchen angefertigt hatten. Diese wurden teilweise von den Betrachtern ergänzt, so schrieb Josef Stalin mit seiner berühmten blauen Tinte auch mal ein »sehr richtig!« drauf. Mitunter ging es recht albern zu: »Tschubariki-tschubtschiki, Tschubariki-tschubtschiki« reimt beispielweise Nikolai Bucharin als Chefredakteur der Prawda unter Verwendung eines bekannten Liedchens über Wlas Tschubaru, damals Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der Ukraine, den er mit Zahnrad, Hammer, Sichel und Pfeffer- und Salzglas porträtiert. Waleri Meschlauk (unter anderem Chef der staatlichen Planungskommission) zeichnet das ZK-Mitglied Gleb Krshishanowski über einem Buch brütend, in dem es um »Problemologie« geht.
Zu finden sind derartige Sitzungsergebnisse in dem nun auf deutsch vorliegenden Band »Schweinefuchs und das Schwert der Revolution. Die bolschewistische Führung karikiert sich selbst«, herausgegeben von Alexander Vatlin und Larissa Malaschenko. Eine Sammlung von Zeichnungen und Schmähungen, mit denen Bolschewiki einander bedachten, wenn ihnen ihre Zusammenkünfte zu ermüdend oder ihre Gegenüber als zu nervig erschienen. Diese Skizzen wurden mit Federhalter, Bleistift oder Pinsel meist auf Parteidokumente gekritzelt und schließlich fanden sie irgendwann den Weg ins Zentrale Parteiarchiv der KPdSU, das heute Russsiches Staatsarchiv für gesellschaftliche und politische Geschichte heißt. Dort arbeitet auch Larissa Malaschenko, Alexander Vatlin ist Historiker an der Moskauer Lomonossow-Universität. In der Zwischenkriegszeit hatten sich viele der Zeichnungen beim Volkskommissar für Verteidigung Kliment Woroschilow eingefunden, der sich als Sammler begriff.
Die meisten der vorliegenden Kritzelkunst-Arbeiten stammen von Bucharin, Meschlauk und dem Prawda-Redakteur Jemeljan Jaroslawski, der sich auf klassische Porträts beschränkt. Am begabtesten wirkt Bucharin, der vormalige »Liebling der Partei« (Lenin), der ebenso leicht wie prägnant und witzig zeichnet, wie er sich auch kleine Lieder und Gedichte als Dreingabe einfallen läßt. Den zeitweiligen Komintern-Chef Grigori Sinojew läßt er mit Superbauch auf Minibeinen auftauchen, genannt »Das ›Juwel‹ (nämlich der Führer des Weltproletariats«). Demgegenüber erscheint Meschlauks Technik zwar unbeholfener und erinnert etwas an naive Schulbankkunst, doch er bringt die Politik mehr auf den Punkt. Etwa, wenn er 1934 Lew Kamenews Selbstbezichtungsauftritt beim 17. Parteitag mit den Worten »Kamenew seziert sich selbst« festhält und einen Kamenew zeigt, der vor einem auf einer Bahre liegenden Kamenew steht und diesem das erigierte Glied abschneidet. Als im Verlauf des Stalinschen »Großen Terrors« Bucharin an der Reihe war, zeichnet ihn Meschlauk als doppelte Figur mit Heilgenschein und der Bildunterschrift »Der heilige Narr«. Als »tragische Übereinstimmung« werten Vatlin/Malaschenko die Tatsache, daß sich Bucharin im Selbstporträt als »Schweinefuchs« entwirft und im dritten Schauprozeß 1938 von Chefankläger Andrej Wyschinski entgegengschmettert bekommt: »Und Bucharin, diese verfluchte Spottgeburt von einem Fuchs und einem Schwein, wie verhielt er sich in der Frage? Wie es sich für einen Fuchs und ein Schwein geziemt!«
Ist die gängige Geschichtsschreibung schon extrem personalisierend (und verhandelt rivalisierende politische Interessen nur durch die Namensnennung exponierter Protagonisten wie Stalin, Trotzki, Bucharin etc), so sind es diese Zeichnungen allemal: Divergierende Konzepte werden zur Karikatur einer Einzelperson, die es in der Regel machistisch besorgt bekommt. Hier beleidigt sich eine geschlossene Männergesellschaft, die einzig porträtierte Frau ist Nadeschda Krupskaja, Lenins Ehefrau und übrigens ab 1929 stellvertretende Volkskommissarin für Bildung. Einer Zeichnung von Meshlauk, die zeigt, wie der Volkskommissar für Finanzen Nikolai Brjuchanow 1930 nackt an seinen Hoden hängt, legte Josef Stalin folgende Notiz bei: »Hängt Brjuchanow für alle seine Sünden, die alten und die neuen, an den Eiern auf. Wenn die Eier halten, betrachtet ihn als entlastet, wenn sie nicht halten, ertränkt ihn im Fluß.« Verhaftet und erschossen wurde Brjuchanow allerdings erst 1938.
Im Zuge der Säuberungen wurde nicht nur das bolschewistische Machtmonopol in der Person Stalins, dem Sieger in allen Parteikämpfen, individualisiert, sondern auch die Karikaturenproduktion. Man fertigte die Zeichnungen zunehmend als private Notizen und weniger zur allgemeinen Belustigung der Kollegen an. Witze wurden lebensgefährlich, ein Vorwand der Denunziation in der psycho-politischen Hysterie des »Großen Terrors«. Die Mehrzahl der in dem Buch versammelten karikierenden wie karikierten Personen wurden umgebracht. Unter Umständen konnte die Stalin-Fraktion die Versuche ihrer verschiedenen Widersacher, angefangen bei der Arbeiteropposition über die Trotzkisten, Sinowjewisten, Bucharinisten bis in die eigene Gefolgschaft hinein, den einstigen revolutionären Elan und Ethos gegen die barbarisch-bürokratische Realpolitik auszuspielen, als humorige Einlagen wahrnehmen, auf Dauer dulden wollte sie das nicht.
Das bolschewistische Dilemma, viel diskutieren zu müssen, es aber immer weniger zu dürfen, hat Isaac Deutscher so zusammengefaßt: »Die Formen des Sozialismus waren geschaffen worden, bevor sein Inhalt, die wirtschaftliche und kulturelle Substanz, vorhanden war; und als der Inhalt geschaffen wurde, hatten Verfall und Entstellung eingesetzt.« Von Stalin findet sich in der Sammlung nur ein kleines ungelenkes Porträt des ZK-Mitglieds Georgi Pjatakow, das er aber mit einer ebenso zackigen wie selbstironischen Unterschrift versehen hat: »ein Beispiel orientalischer Kunst«.
Alexander Vatlin/Larissa Malaschenko (Hg.): Schweinefuchs und das Schwert der Revolution. Die bolschewistische Führung karikiert sich selbst. Verlag Antje Kunstmann, München 2007, 215 S., 24,90 Euro
Sämtliche Abbildungen dieser Beilage sind obenstehendem Band entnommen und erscheinen mit freundlicher Genehmigung des Antje Kunstmann Verlags.
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