Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Freitag, 27. Dezember 2024, Nr. 301
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: kapital & krise, Beilage der jW vom 29.10.2008

Systemfehler

Niemand kann den konkreten Verlauf der Wirtschaftskrise vorhersagen. Ihre Ursachen wurden allerdings seit langem erforscht
Von Arnold Schölzel
Die Halle der New Yorker Börse Anfang des 20. Jahrhunderts
Die Halle der New Yorker Börse Anfang des 20. Jahrhunderts


Ein merkwürdiges Schweigen hat die Kapazitäten der deutschen Volkswirtschaftslehre erfaßt. Über die Ursachen der gegenwärtigen Finanzkrise und der bevorstehenden Rezession mag keiner reden. Die Losung des Friedrich Merz, der Markt habe überhaupt nicht versagt, war eine der letzten Auskünfte, bevor die Rürup, Sinn und Zimmermann von der Bildfläche verschwanden. Sie tauchen nur auf, um darüber zu klagen, daß Managergehälter gedeckelt werden sollen oder daß überhaupt an so etwas wie ein Konjunkturprogramm gedacht wird. Der langährige Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Hans. D. Barbier, meinte, so etwas sei nur gut zur »Besänftigung des Verteilungsneides kleiner Leute«. Die Herrschaften wissen, was sie gefährden könnte. Die unsägliche Erklärung des Hans-Werner Sinn im Berliner Tagesspiegel vom 27. Oktober 2008, in der Weltwirtschaftskrise von 1929 »hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager«, besagt vor allem, wie rasch die sogenannte Elite der bundesdeutschen Gesellschaft außer Rand und Band gelangen kann. Das ist allerdings ein Phänomen, das sich ebenso wiederholt wie die Krisen selbst. Von noch mehr Beschränktheit zeugt die Äußerung des Münchener Wirtschaftsexperten, niemand habe damals an einen »anonymen Systemfehler« glauben wollen, der die Krise ausgelöst habe. Das ist so grundsolide geschichtsignorant, daß es vielleicht nur in einem Eldorado des Antimarxismus wie der Bundesrepublik behauptet und gedruckt werden kann. Wenn es nach Sinn und seinesgleichen geht, hat es nie marxistische Ökonomen von Weltrang – bei Marx angefangen – gegeben. Äußerungen wie diese sind Symptom für die Mischung aus theoretischer Hilflosigkeit und autoritären Gelüsten, die derzeit Politik und Medien bestimmen. Wie es auf der Seite derjenigen aussieht, die demnächst unter den Folgen der Rezession zu leiden haben werden, die bereits wissen, daß der vollkommene Zusammenbruch der Auftragseingänge in einigen deutschen Industriebranchen nicht mehr kompensiert werden kann, ist weitgehend unbekannt. Es steht nur fest, daß die »kleinen Leute« die Zeche zahlen sollen. Das haben die Apologeten des Systems fest einkalkuliert. Daß Aufklärung über die Ursachen der Krise möglich ist, versucht jW mit dieser Beilage zu zeigen. Die Einsicht, daß es um einen Systemfehler und nicht allein um »Vertrauensverlust« oder »Gier« geht, gehört dazu. Erkenntnis ändert zunächst nichts am Verlauf der Krise. Nur aus ihr erwächst allerdings auch die Fähigkeit, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!