Zeit, sich zu wehren
Von Markus BernhardtBildungsblockaden einreißen«. Unter diesem Motto
verweigerten mehr als 100000 Schülerinnen und Schüler am
12. November vergangenen Jahres den Unterricht. In über 40
Städten gingen sie auf die Straße und forderten gleiche
Bildungschancen für alle. Daß der Schülerprotest
kein Strohfeuer war, zeigte sich am 28. März. In die
Großdemonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main gegen das
Abwälzen der Krisenlasten auf die Bevölkerung (»Wir
zahlen nicht für eure Krise«) reihten sich zahlreiche
Jugendliche mit Transparenten »Rettet die Bildung! Nicht die
Banken und Konzerne!« ein. Nun soll der Funke auch auf die
Hochschulen überspringen.
Zahlreiche Studierendenausschüsse und Hochschulgruppen haben
gemeinsam mit Schülervertretungen begonnen, die geplante
Bildungsstreik-Aktionswoche vom 15. bis zum 19. Juni vorzubereiten.
Am 17. Juni, dem Höhepunkt der Streikwoche, sollen dann nicht
nur Schulen, sondern auch Hörsäle leer bleiben. Dabei
sind es längst nicht mehr nur Gebühren, die an den
Universitäten für Unmut sorgen.
Vor allem die Umwandlung von Diplom- in Bachelorstudiengänge
im Rahmen des sogenannten Bologna-Prozesses hat die Belastung von
Studierenden massiv erhöht. Bereits 1999 hatten 29
europäische Länder in Bologna das neue Studiensystem
beschlossen, um die Hochschulabschlüsse anzugleichen. Dabei
ging es in erster Linie darum, die Wirtschaftsinteressen zu
befriedigen. Im Ergebnis führte die Umstellung zu einer
extremen Verschulung und zum Abbau der geisteswissenschaftlichen
Fakultäten. Auf der Strecke bleiben vor allem die
Qualität der Lehre – und die Zeit. Für ein
durchschnittliches Bachelor-Studium sind nur noch sechs Semester
vorgesehen. Das straffe Management und stetige Anwesenheitspflicht
stellen vor allem Studierende mit kleinem Geldbeutel vor
große Probleme. Jugendliche aus weniger betuchten
Verhältnissen werden zunehmend ausgegrenzt. 72 Prozent der
Bachelorstudierenden werden von ihren Eltern unterstützt. Etwa
die Hälfte bestreitet den Lebensunterhalt wenigstens anteilig
mit Jobs. Nur ein Drittel (31 Prozent) bezieht die staatliche
Studienförderung BAföG.
Auch Gesundheitsstudien belegen den zunehmenden Streß der
Studierenden. Immer häufiger sind sie von Angsterkrankungen,
psychosomatischen Magen-Darm-Beschwerden, dem
»Burn-Out-Syndrom« und einer reduzierten Infektabwehr
betroffen. In einer Studie der Freien Universität Berlin sind
im Sommersemester 2008 Absolventen von Bachelorstudiengängen
befragt worden. Dabei ging es unter anderem um mögliche
Belastungen durch die Vereinbarkeit von Studium und
Erwerbstätigkeit, familiären Verpflichtungen sowie
Belastungen durch Krankheit. 50 Prozent der Befragten gaben an,
Schwierigkeiten zu haben, Studium und Lohnarbeit zu vereinbaren.
Durch Krankheiten und psychische Probleme fühlten sich 21
Prozent beeinträchtigt. Da bleibt nur eins: Bildungsblockaden
einreißen!
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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