Unruhiger Sommer
Von Wera RichterDie Bundesregierung hat es nicht leicht. Das Volk will nicht
verstehen. Es ist mit anwachsender Mehrheit gegen den
Kriegseinsatz am Hindukusch. Anstatt aber die deutschen Jungs
(und Mädels) nach Hause zu holen, wird mit
AWACS-Aufklärungsfliegern neues Kriegsgerät und neues
Militär nach Afghanistan gebracht. Die Soldaten bekommen
Schießbefehl.
Auch Milliardengeschenke an die Verursacher der Wirtschafts- und
Finanzkrise stoßen auf wenig Gegenliebe. Trotz aller
Verschleierungsversuche vor den Bundestagswahlen sieht ein Blinder,
wer die Zeche zahlen soll. Noch wird der rasante Anstieg der
Erwerbslosigkeit durch Kurzarbeit hinausgezögert. Die Zahl der
Erwerbslosen ist gegenüber 2008 aber auch so um mehr als
170 000 gestiegen. Leiharbeiter, Billigjobber, Azubis werden
als erste auf die Straße gesetzt. Opel zeigt, daß die
Entlassungswelle nicht an den Stammbelegschaften vorbeigehen wird.
Lohnkürzungen bei Noch-Beschäftigten sowie Nullrunden bei
Rentnern und Erwerbslosen bedeuten angesichts ungerührt
steigender Mieten und Lebenserhaltungskosten weitere Verarmung und
Verelendung.
Da bekommt es selbst Gewerkschaftsboß und Sozialdemokrat
Michael Sommer mit der Angst zu tun. Eindringlich warnte er
unlängst vor sozialen Unruhen – und davor, daß
sich die Menschen von der Politik abwenden, gar radikalisieren
könnten. Daß Sommer und die Seinen diesen Prozeß
langfristig aufhalten können, darf bezweifelt werden. Das
erkennt auch der neoliberal orientierte Staat und rüstet
auf.
Das Bespitzeln und Einschüchtern von Hartz-IV-Beziehern zeugt
davon ebenso wie Angriffe auf das Versammlungs- und
Demonstrationsrecht und anschwellende Terrorhysterie. Absurde, aber
folgenschwere, 129-a-Verfahren gegen Berliner Kriegsgegner, und
129-b-Verfahren gegen türkische Linke sowie ungehemmte
Islamophobie sind die Folge. Mehr als 50
»Sicherheitsgesetze« haben in den vergangenen Jahren
die Bürgerrechte Stück für Stück beschnitten.
Polizeigewalt findet nicht mehr nur statt, wo sich Linke bewegen,
sondern auch, wo zuviele protestierende Schüler
zusammenkommen. Das »Demonstrationsrecht« für
Neonazis hingegen wird gnadenlos durchgesetzt.
Als nächstes wird der Bundeswehreinsatz im Innern vorbereitet.
Gegen G-8-Gipfel-Stümer in Heiligendamm war die Truppe bereits
2007 mit Spähpanzern und Tornado-Fliegern im Einsatz. In
kommunalen Rathäusern machen sich Reservisten unter dem
Stichwort zivilmilitärische Zusammenarbeit breit. In Schulen
und Arbeitsämtern rekrutieren Jugendoffiziere frisches
Kanonenfutter. Der Normalisierung soll die Grundgesetzänderung
folgen.
Über diese Themen ist auf den kommenden Seiten zu lesen. Und
davon, wie es Kriegsgegnern und linken Aktivisten in
Palästina, dem Baskenland und Griechenland ergeht. Dieser
Blick über den Tellerrand zeigt auch, daß es zu sozialer
Unruhe hierzulande vergleichsweise wenig Mut Bedarf.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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