Kämpfen fürs Paradies
Von André ScheerWenn es um Kuba geht, ist den bürgerlichen Massenmedien
hierzulande kein Klischee zu blöd, um es nicht als Nachricht
in die Welt hinauszuposaunen. Wenn die kubanische
Fußballnationalmannschaft kurzfristig eine Europatournee
absagen muß, ist daran natürlich Fidel Castro schuld.
Wenn Havanna Häftlinge auf freien Fuß setzt, spekulieren
die Agenturen darüber, ob der oder der zu den Freigelassenen
gehört – selbst wenn er gar nicht im Gefängnis
sitzt. Für sie ist Kuba ein Land von prinzipiell
leichtbekleideten jungen Frauen, das von alten Männern
geführt wird. Zahlen und Fakten stören nur.
Die Bevölkerungsstruktur Kubas unterscheidet sich nur
geringfügig von der in den wichtigsten Industriestaaten. Die
durchschnittliche Lebenserwartung liegt mit 77,45 Jahren nur knapp
unter der in den Vereinigten Staaten und der Europäischen
Union und zum Beispiel über der in der Tschechischen Republik.
Kein Vergleich mit anderen Staaten, die wie Kuba
Entwicklungsländer sind. Im benachbarten Haiti beträgt
die durchschnittliche Lebenserwartung nicht einmal 61 Jahre. Auch
in der Dominikanischen Republik mit 73,7 und in Jamaika mit 73,5
Jahren liegt sie unter den kubanischen Werten. Selbst Argentinien
und Brasilien können in dieser Frage nicht mit Kuba
konkurrieren.
Ein wichtiger Grund dafür sind die beispielhafte
Gesundheitsversorgung und das einzigartige Bildungswesen auf der
Insel. Kuba gehört zu den wenigen Ländern der Region, die
drauf und dran sind, die »Millenniumsziele« der
Vereinten Nationen, die bei einem Gipfeltreffen im September 2000
in New York festgelegt worden waren, auch tatsächlich zu
erreichen. Das UN-Vorhaben, bis 2015 allen Kindern zumindest eine
Grundschulausbildung zu ermöglichen, hat die Insel praktisch
schon umgesetzt. 2008 besuchten nicht weniger als 99,7 Prozent der
Kinder in dem entsprechenden Alter tatsächlich die
Grundschule, 96,5 Prozent von ihnen schlossen diese erfolgreich ab.
Damit nicht genug: 98,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen gingen
anschließend auch auf eine weiterführende Schule. Und
die aus anderen Ländern bekannte Erscheinung, daß
Mädchen aus der Schule genommen werden, um sie zu verheiraten,
ist in Kuba unbekannt: 2007 war nur bei sieben Schülerinnen
eine Eheschließung Grund für den Abbruch der Ausbildung.
Angesichts solcher Zahlen erscheint auch der Befund der
Volkszählung von 2002 nicht unrealistisch, die eine
Analphabetenquote von 0,0 Prozent ergeben hatte.
Mit solchen Voraussetzungen ist Kuba tatsächlich ein
»Leseland schlechthin«, wie Katja Klüßendorf
in dieser Beilage feststellt. Doch natürlich ist es weit davon
entfernt, ein Paradies für Jugendliche zu sein. Es bleibt ein
armes Entwicklungsland, in dem gerade vor der jungen Generation
riesige Herausforderungen stehen. Ein Teil seines Territoriums ist
noch immer von den USA besetzt, worauf Steffen Niese in seinem
Beitrag hinweist. An den Kampf um die Rückkehr des kleinen
Jungen Elián González vor zehn Jahren erinnert
Santiago Baez. Gerd Schumann blickt darauf zurück, wie Kuba
und die DDR unzähligen Kindern und Jugendlichen aus dem
südwestlichen Afrika das Leben retteten und einen
entscheidenden Beitrag zur Überwindung des
südafrikanischen Rassistenregimes leisteten. Und Deisy Francis
Mexidor informiert über den Kampf um die Freilassung der
fünf Kubaner, die seit fast zwölf Jahren in
US-amerikanischen Gefängnissen inhaftiert sind, weil sie ihre
Heimat vor Terroranschlägen bewahrten. Wie die jungen
Kubanerinnen und Kubaner mit der notwendigen Umgestaltung in der
Wirtschaft ihres Landes umgehen, beschreibt Tobias Kriele. Und
schließlich hat Mario Arcadi bei dem kubanischen Rapper
»El Denni« nachgefragt, wie sich diese Probleme auf die
Jugendkultur in der kubanischen Provinz auswirken.
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