Keine Atempause
Von Klaus FischerGeschichte wird gemacht«, war einst ein geflügelter
Spruch der Linken. Dahinter stand in Westeuropa das politische
Selbstbewußtsein einer neuen Generation. Die wollte den
»Muff von tausend Jahren« beseitigen, rebellierte gegen
obrigkeitsstaatliche Strukturen und verabscheute Kriege, wie den
der USA in Vietnam. Auch eine erstarkte Gewerkschaftsbewegung
prägte jene Zeit, die aber vor allem durch die
Systemauseinandersetzung mit dem realen Sozialismus
gekennzeichnet war. Der Kapitalismus war in Frage gestellt, und das
ist er auch heute. Allerdings scheint es an Antworten zu mangeln.
Mag sein, daß seinen Gegnern auch ein Teil Knowhow
verlorengegangen ist, manche Rezepte gelten als veraltet, anderes
muß neu entwickelt werden. Eines ist jedoch gewiß: Die
Menschen sind dem Wüten der »Märkte« und der
Macht ihrer politischen, juristischen und medialen Sympathisanten
nicht zwangsläufig hilflos ausgesetzt.
Der Kapitalismus ist flexibel und mächtig, aber nicht
unverwundbar. Seine vermeintlichen Stärken sind auch seine
Schwächen. Dem Kapitalverhältnis liegt kein moralisches
Konzept zugrunde. Profit zu generieren, bedingt weder Ethik noch
Ästhetik. Der Sinn des Mehrwertes liegt in dessen Aneignung
– womit es persönlich wird: Für die, die nehmen,
und jenen, denen genommen wird.
Daraus folgt zwingend: Was Beschäftigte, Bildungshungrige,
Unterdrückte und auch Erwerbslose wollen, müssen sie sich
erkämpfen (Gewerkschaften aufgewacht!). Es liegt in der
Dialektik gesellschaftlicher Widersprüche – wie dem
zwischen Kapital und Arbeit –, daß ausgeklügelte
Systeme zur »Umverteilung« nicht der Verwertungslogik
entsprechen. Andererseits kann diese Logik nicht aufgehen, wenn es
keine Regularien gibt. Das Kapital hat ein existentielles Interesse
daran, daß eine Art Burgfrieden mit dem »Faktor
Arbeit«, also den abhängig Beschäftigten,
existiert.
In der materiellen Wirklichkeit ist der Grundwiderspruch des
Kapitalismus, also der zwischen gesellschaftlicher Produktion und
privater Aneignung, sehr wohl sichtbar. Geld gebiert keinen
Wohlstand. Aktienoptionen bauen keine Häuser. Hedgefonds
buddeln nicht das Eisenerz aus. Reale Werte schafft
ausschließlich der Mensch mit zielgerichtetem Handeln, mit
seiner Arbeitskraft. Sie ist und bleibt entscheidende Quelle allen
gesellschaftlichen Reichtums. Es ist keineswegs so, daß das
»Kapital« die »Arbeit« in babylonischer
Gefangenschaft hält. Es tut nur so, angefangen von den Fakten,
bis zu der Begrifflichkeit »Arbeitgeber«. Wenn man so
will, liegt hier die Sollbruchstelle des Systems.
Um da den Hebel erfolgreich ansetzen zu könne, braucht es vor
allem kollektiven Willen. Es bedarf der Zuversicht, die nur aus
Wissen und Erfahrung erwachsen kann. Kräftige
Lohnerhöhungen könnten ein solcher Hebel sein. Der
zerstört den Kapitalismus nicht, kann ihn aber zähmen.
Der Preis der Ware Arbeitskraft wird nicht vom Staat, nicht vom
Unternehmer festgesetzt. Er ist Resultat eines permanenten
Klassenkampfes. Den Kapitalismus »verbessern«
heißt, ihn schwächen. Und es gibt keinerlei materiellen
oder moralischen Grund, den Profiteuren des Systems jene
global-volkswirtschaftlichen Kosten verstärkt in Rechnung zu
stellen, die aus einer extrem gesteigerten Produktivität
resultieren, die die internationale Arbeitsteilung gravierend
verändert hat. Ressourcenverbrauch, Bildung und Ausbildung
gehören ebenso dazu wie die Wiedereingliederung der
»relativen Überbevölkerung« als aktiven Part
des Reproduktionskreislaufs.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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