Sagen, was ist
Von Arnold SchölzelWer hierzulande Lohndumping betreibt, konkurriert nicht nur ganze
Volkswirtschaften nieder, sondern befeuert mit seinen Extraprofiten
auch die internationale Finanzspekulation. Wer im Bundestag vorbei
an der Bevölkerung mehrheitlich den Arm für Krieg, Hartz
IV oder Subventionierung von Hoteliers hebt und sich das Regieren
von Bild diktieren läßt, ist auf dem Weg
Berlusconi-Italiens und Orbán-Ungarns. Wer im Vorfeld der
Konferenz eine Hetzkampagne wegen »Kommunismus«
inszeniert, vermeidet, wenigstens westeuropäische
Maßstäbe an diese Frage anzulegen, von Ländern der
»Dritten Welt« zu schweigen.
Soziale, politische und ideologische Kämpfe um die
Veränderung des Kräfteverhältnisses auf nationaler
und auf internationaler Ebene und die Stellung der Linken in diesen
Auseinandersetzungen sind Jahr für Jahr Gegenstand der
Rosa-Luxemburg-Konferenz. Sie hat sich als ein Forum etabliert, auf
dem Gäste aus aller Welt den oft aufs Hiesige
beschränkten Horizont der bundesdeutschen Linken zu erweitern
suchen. Die Vermittlung von Erfahrungen, von Niederlagen und
Erfolgen, von wenig hoffnungsvollen Perspektiven, aber auch vom
Vorankommen progressiver, emanzipatorischer Kräfte anderswo
machen das Einmalige, Unverwechselbare dieser Veranstaltung aus.
Sagen, was ist, steht am Anfang der Referate und der
Podiumsdiskussion.
Wer die Analyse Moshe Zuckermanns (Tel Aviv) zum Nahostkonflikt
verfolgte, ist wahrscheinlich um einige Illusionen ärmer. Wer
Brian Campfield (Belfast) über das Diktat von außen zur
Senkung des Lebensstandards der Arbeitenden in Nordirland und nun
auch in der Republik Irland hörte, weiß: Es wird ein
langer, ungeheuer zäher Kampf, Souveränität und
Demokratie auf der irischen Insel wiederzugewinnen. Christos
Katsotis entlarvte die Lüge vom »Staatsbankrott«
in Griechenland: Vor der angeblichen Pleite des Fiskus steht der
systematisch betriebene Ruin der Familien, die nicht zur
herrschenden Kaste gehören. Gáspár Miklós
Tamás machte deutlich, warum das Verschwinden der
bürgerlichen Demokratie in Ungarn kein Einzelfall ist. David
Velásquez erläuterte eindrucksvoll, was die
Bolivarische Revolution in Venezuela auf internationaler Ebene
bereits erreicht hat und was nicht. Gerade sein Beitrag
illustrierte: Die Verhältnisse in der Welt sind nicht so
eindimensional, wie es die hiesige Propaganda, der
militärisch-mediale Komplex für Propaganda, von Krieg und
Kapitalismus weismachen will.
Ein Schreiber der Berliner Zeitung behauptete, auf der
Rosa-Luxemburg-Konferenz 2011 hätten sich »rote
Faschisten« versammelt. Mehr als ein Symptom für
wachsende Nervosität ist das nicht. Die in dieser Beilage
veröffentlichten Referate, aber auch die Zahl von mehr als
2000 Besuchern der diesjährigen Konferenz – so viele wie
noch nie – unterschiedlichster Herkunft, Alters und
politischer Einstellung sind eine gebührende Antwort: Die
»Kapazitäten« der Bourgeoisie haben nichts mehr zu
bieten außer Diffamierung.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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