Es wird täglich gelogen, was das Zeug hält
Von Peter WolterDas waren fast noch goldene Zeiten, als Paul Sethe,
Mitbegründer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 1965
verkündete, Pressefreiheit sei lediglich die Freiheit von 200
reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Die Zahl dürfte
heute auf ein gutes Dutzend einflußreicher Konzernlenker
geschrumpft sein – wobei der Schulterschluß mit
neoliberalen Politikern immer enger wird. Kein Wunder: So gut wie
alle Medien sind kapitalistische Unternehmen, die nur eines im Sinn
haben: Möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit
verdienen. Unter solchen Umständen ist es purer Luxus, sich um
Bagatellen wie objektive Berichterstattung,
Informationsbedürfnis der Leser oder demokratische Rechte zu
kümmern.
Erst vor kurzem fegte ein Sturm der Empörung durch die
deutschen Medien, als Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch in
einem Beitrag in dieser Zeitung das Wort »Kommunismus«
benutzte. Der Begriff allein reichte schon aus, um auf die
Linkspartei einzuprügeln – kaum einer der Kommentatoren
hatte sich die Mühe gemacht, den Beitrag auch nur zu lesen.
Und so mancher von ihnen hätte sich lieber auf die Zunge
gebissen, als in seiner indignierten Stellungnahme auch nur einmal
die Quelle junge Welt zu erwähnen. »Bedingter
Reflex« nennt sich ein solches Verhalten, das an die
Pawlowschen Hunde erinnert: Ein Stichwort reicht aus, um
erhöhten Speichelfluß auszulösen.
Auf welchem Niveau viele Medien in diesem Lande mittlerweile
angekommen sind, zeigt sich auch bei anderen Themen: Ob Renten-
oder Gesundheitssystem, Afghanistan-Krieg oder
Exportüberschüsse – es wird gelogen, was das
Zeug hält. Es wäre allerdings ungerecht, jedem der daran
beteiligten Journalisten einen persönlichen Vorwurf zu machen.
Viele dieser Kolleginnen und Kollegen arbeiten unter Bedingungen,
die ihnen kaum die Möglichkeit lassen, die eigene Arbeit
selbstkritisch zu werten. Ein Glück jedenfalls, daß es
in der BRD noch mediale Alternativen gibt, die nicht
kapitalhörig sind: Drei kleinere Tageszeitungen (Neues
Deutschland, taz, junge Welt) und einige weniger
Bürgerradios. Hinzukommen kleinere Zeitschriften und
zahlreiche Internet-Blogs.
Um Alternativen zu den Mainstream-medien geht es auch in dieser
Beilage: Der langjährige dju-Vorsitzende Eckart Spoo skizziert
einige Vorstellungen zur Forderung nach Demokratisierung der
Medien, die schon seit Jahren erhoben, aber nie realisiert wurde.
Diese Forderungen decken sich übrigens weitgehend mit den
Vorstellungen der Linkspartei. Daß Journalismus lernbar ist,
kann man dem Beitrag über die Linke Medienakademie (LiMa)
entnehmen, die vom 9.–13. März in Berlin stattfindet.
Auch jW-Redakteure bieten dort Seminare an. Themen:
Verständliches Formulieren, Gewerkschaftsberichterstattung,
Geschichte der Propaganda sowie »political
correctness«. Näheres kann dem Programm der LiMa
entnommen werden.
Wie man ein Internetradio gründet und betreibt, kann man einem
Interview mit studentischen Radiomachern entnehmen–
vielleicht läßt sich der eine oder andere Linke davon
anregen. Hinzu kommen Buchrezensionen, Berichte über
Nachrichtenagenturen und Pressesprecher sowie eine Glosse über
freie Journalisten.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!