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Aus: rosa-luxemburg-konferenz 2012, Beilage der jW vom 14.01.2012

Der dritte Anlauf

Das deutsche Kapital ist seit dem Anschluß der DDR auf dem Weg zur Weltmacht vorangekommen – mit Lohndumping und Spaltung der Arbeiterklasse
Nur die Welt ist genug: Angela Merkel 2009 beim Columbus Verlag
Nur die Welt ist genug: Angela Merkel 2009 beim Columbus Verlag in Krauchenwies (Baden-Württemberg)

Wir dokumentieren einen Artikel, der vollständig in Heft 337 der Kommunistischen Arbeiterzeitung (KAZ) erscheint. Der Text wurde redaktionell gekürzt.

Die anhaltende Krise, besonders die als Euro-Krise hochgespielte Bankenrettungsaktion im Herbst 2011, hat die linke Bewegung verbreitert und einige bemerkenswerte Einsichten popularisiert: Freedom and Democracy entpuppen sich als Diktatur der Banken, ein Prozent Produktionsmittelbesitzer beherrschen damit die 99 Prozent, die frei von Produktionsmitteln sind. (…)

Rückblende zum Auslöser der Krise 1998 bis 2002: Das Ende der Sowjetunion (SU, 21. Dezember 1991, jW) wird in der kapitalistischen Propaganda zum »Ende der Geschichte« stilisiert: Es sei nun bewiesen, daß die Marktwirtschaft das natürliche System sei, zu dem die Geschichte hingeführt habe. Der so in Aussicht gestellte ewige Aufschwung ist 1998 nach weniger als zehn Jahren zu Ende. Die Konterrevolu­tion führt in der sich auflösenden Sowjetunion zu einem Absinken der Pro-Kopf-Produktion um 50 Prozent, Massenelend breitet sich aus, die neuen russischen Aktiengesellschaften brechen ein. Das kapitalistische Finanzsystem steht 1998 vor dem Zusammenbruch (»Derivatekrise«), ausgelöst durch den Zusammenbruch des (US-amerikanischen) LTCM-Fonds, der mit hochriskanten Finanzkonstruktionen (»Derivaten«) auf den russischen Boom gewettet hatte. Der Zusammenbruch des Finanzsystems der kapitalistischen Welt wird durch ein schnelles gemeinsames Eingreifen großer Privat- und Staatsbanken abgewendet.

Das zirkulierende Finanzkapital wendet sich der Wachstumsbranche Softwareanwendung zu, erzeugt dort durch die plötzliche Übernachfrage extrem hohe Aktienkurse und kollabiert, als der zyklische Aufschwung nachläßt, mangels genügend produzierte materielle Werten (»Dotcomkrise«). In der daraufhin entstehenden Aktienkrise verliert 2002 z.B. die deutsche Allianz-Gruppe 90 Prozent ihres Aktienkapitalwerts. Eine Dauerstagnation der kapitalistischen Welt wird durch eine »Politik des billigen Geldes«, sehr niedrige Zinsen, abgewendet. Allen voran die USA pumpen Rüstungsmilliarden in die Wirtschaft, unter dem Vorwand, die Welt vor dem Terrorismus zu retten, und in der Hoffnung, die Schulden, auch durch eine Monopolisierung der Ölreserven durch die militärische Kontrolle des Nahen und Mittleren Ostens, irgendwann in den Griff zu bekommen. Die Milliardengewinne der Konzerne, die weltweit von der Kriegspolitik und dem zyklischen Aufschwung nach 2002 profitieren, werden zunehmend nicht in neue Produktionsanlagen investiert, sondern auf die Suche nach Maximalprofit wieder in die »Finanzmärkte« geschickt und lösen einen weltweiten Boom immer riskanterer Finanzinstrumente aus. Das globale Finanzvolumen wächst vom ca. 1,6fachen der realen Wirtschaftsleistung zur Zeit der Auflösung der SU auf das 3,7fache nach der Krise 1998/2002. (…)

Kurze Belebung

Der zyklische Aufschwung nach 2002, der durch die oben genannten massiven Staatseingriffe unter den Propagandatiteln »Neoliberalismus« und »Globalisierung« auf den Weg gebracht wurde, war 2007 zu Ende. Der Krach folgte 2008 und war heftiger als 1998/2002. Im verschärften Konkurrenzkampf nach 2002 hatten sich auch die Risiken der Finanzmärkte vergrößert. Das beschleunigte den Weg in die Krise und vertiefte sie. Der Produktionseinbruch 2009 war so tief, daß er nur mit noch stärkerer Staatsnachfrage gedämpft werden konnte. Die Propagandaleier »Mit Staatseingriffen bekommen wir alles in den Griff«, bekannt aus den 20er, 30er und 70er Jahren, wurde ausgepackt, oft zusammengefaßt unter dem Schlagwort »Keynesianismus«.

Der bis Mitte 2011 von den herrschenden Medien in Deutschland verkündete XXL-Aufschwung erwies sich in der zweiten Jahreshälfte als Flop. (…) Bei der schnellen Belebung spielte zunächst die starke staatliche Subvention der Kurzarbeit eine Rolle. Damit wurde einer drohenden »Radikalisierung der Gewerkschaften« vorgebeugt. Am klarsten drückte das der Finanzchef von Siemens, Joe Kaeser, aus: »Entlassungen sind Gift für den sozialen Frieden.« Andererseits konnte so die Produktion auf wiederauftauchende Nachfrage schnell reagieren. Die Nachfrage tauchte in der Tat für die deutschen Kapitalisten unerwartet schnell auf, im Frühjahr 2010, verursacht durch leichte Belebungen in Europa und starke Nachfrage aus den nichteuropäischen Ländern, vor allem in den zwei weltgrößten Volkswirtschaften, China und den USA. (…)

Die Belebung in Deutschland konnte in das erste Halbjahr 2011 hinübergerettet werden, ging aber nicht in einen Aufschwung über, weil die Rekordgewinne wieder überwiegend nicht in Produktionsanlagen investiert, sondern auf den Finanzmarkt geworfen wurden. Die Großkapitalisten mißtrauten dem von ihren Medien propagierten XXL-Aufschwung, ihre Produktionsanlagen waren in vielen Betrieben noch nicht ausgelastet. (…)

Wenn jetzt die Medien die »Euro-Krise« als Ursache für die ausbleibenden Investitionen in der Industrie nennen, ist das zu kurz gegriffen. Die »Euro-Krise« ist im wesentlichen eine Krise der Finanzoligarchie, die drohende Verluste aus dem fiktiven Kapital, den »Risikopapieren«, auf die Staaten abwälzen will. Wenn in der materiellen Produktion kein zusätzlicher Mehrwert erzeugt wird, können Versprechen auf die Umverteilung dieses Mehrwerts, und nichts anderes ist fiktives Kapital, nicht eingelöst werden.

Die »Euro-Krise« folgt der zyklischen kapitalistischen Krise. Die kapitalistische Krise bringt die Finanzkrise mit sich und bereitet mit jedem Ausweg eine noch größere Krise vor. Die bürgerlichen Medien greifen bei der Ursachenanalyse der Krise nicht zufällig zu kurz, ist es doch ihre Aufgabe, uns den Kapitalismus als das höchste und letzte Stadium nicht der Kapitalisten, sondern der ganzen menschlichen Entwicklung zu preisen.

Gefahr des Zusammenbruchs

Auch die aktuelle »Euro-Krise« fiel nicht vom Himmel. Angekündigt hat sie sich durch einen Crash der Bankaktien im Sommer 2011, der unmittelbar ausgelöst war vom Zweifel der Investoren am Aufschwung in den großen kapitalistischen Ländern. Der Aufschwung in der produzierenden Wirtschaft wäre Voraussetzung gewesen für eine Sanierung der Banken. Die Grundlage für den Absturz der Aktienkurse der Großbanken war schon mit dem »Krisenmanagement« von 2008 gelegt worden. Damals wurde die Finanzkrise, die durch die oben angesprochene »Spekulationsblase« der Jahre nach 2002 ausgelöst worden war, durch die oben erwähnten Billionen-Staatsgarantien aufgefangen. Die Banken mußten ihre »Risikopapiere« nicht sofort abschreiben und konnten in der Hoffnung auf zukünftiges Wirtschaftswachstum überleben. Die Rechnung der Finanzoligarchen war, daß in einem zyklischen Aufschwung wie nach 2002 einige dieser »Risikopapiere« wieder an Wert gewinnen würden, die Banken sich sanieren könnten und mit ihnen die mit ihnen verflochtene Finanz­oligarchie.

Der Aufschwung sollte durch eine »Politik des billigen Geldes« angeschoben werden, also dadurch, daß der Staat durch die Zentralbank jede Menge Geld an die Geschäftsbanken zu niedrigsten Zinsen verleiht, ebenfalls wie nach der Krise 2002. Wegen der Tiefe der Depression von 2009 gab es zunächst, wie oben dargestellt, eine gewisse Belebung, schon weil aufgeschobene Bestellungen nachgeholt wurden. Die Staaten versuchten weltweit, die Belebung mit Hilfe stark erhöhter Ausgaben in einen Aufschwung zu bringen, auf Kosten weiterer Verschuldung. Die Milliarden für die Verschrottungsprämien gehören dazu, vor allem aber die Milliarden, die in die Rüstung gingen und mit denen die imperialistischen Kriege finanziert werden. Das Kernproblem der kapitalistischen Wirtschaft, der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung, wird dadurch nicht gelöst. Ebenfalls wie 2002 wurde durch das Krisenmanagement 2008/2009 nur die Grundlage für die nächste, größere Krise gelegt. (…)

Es ist nicht erst seit der eingangs erwähnten »Derivatekrise« 1998 bekannt, daß die massenhafte Neuanlage des Profits der Finanzkapitalisten in Risikopapieren zum Risiko für das kapitalistische System selber wird. Wie in jeder großen Krise des Kapitalismus wurde deshalb auch diesmal in den bürgerlichen Medien laut nach einer Regulierung der Finanzmärkte gerufen. Damit sind aber immer nur die Finanzkapitalisten anderer Länder gemeint. Die bei uns herrschende Finanz­oligarchie will möglichst nur den Konkurrenten Steine in den Weg legen, nicht sich selbst. Das Volumen der Risikopapiere, die zum Systemrisiko werden, ging seit dem Ende der Krise 1998/2002 nicht etwa zurück, sondern nahm im gegenwärtigen Zyklus nochmal gewaltig zu. (…)

Zum einen wurde die Lösung, wie immer im Kapitalismus, zuerst gesucht durch verschärfte Ausbeutung im Innern. Dadurch wurde die Inlandskonsumnachfrage weiter geschwächt. Zum anderen wird versucht, die Lasten der Krise nach Möglichkeit auch anderen Ländern aufzubürden. Das hat zu einer Vertiefung der Krise dort mit der Folge verminderter Nachfrage nach Waren aus Deutschland geführt: Die Hauptexportmärkte Deutschlands neben China und den USA sind Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien, über die Hälfte des deutschen Exports geht in die EU. Und schließlich brachten die Staatseingriffe zur Bankenrettung und zum Ausgleich der nachlassenden Nachfrage im Inland eine massive weitere Verschuldung des Staates bei den Banken mit sich.

Die Staaten stehen nun unter erhöhtem Druck, ihren Finanzoligarchen Möglichkeiten zu bieten, neue Geschäfts- und Profitfelder zu erschließen, um aus der Depression herauszukommen, damit eine Entwertung des fiktiven Kapitals vermieden, auf andere Länder verschoben oder zumindest aufgeschoben wird. In Deutschland fordert die Finanzoligarchie von ihrem Personal im Staat, endlich den politischen Einfluß nach innen und außen den veränderten ökonomischen Machtverhältnissen anzupassen. Was das konkret bedeutet, erleben wir auf der politischen Bühne, teils vor, teils hinter den Kulissen: Es geht für den deutschen Imperialismus um einen großen Schritt nach vorn im dritten Anlauf zur Weltmacht.

Weltmachtanspruch

Bei den EU-Krisengipfeln im Herbst 2011 diktierte die Regierung dieses Deutschlands, das nicht aus der Krise herauskommt, zunächst der Regierung von Frankreich die Bedingungen der Bankenrettung, dann wurde dem Rest das Ergebnis mitgeteilt. Sarkozy war einmal angetreten, die BRD in der EU in die Schranken zu weisen. Er prägte zu Beginn seiner Amtszeit das Wort vom Sechszylinder für Europa, anstelle des Zweizylinders BRD-Frankreich. Gemeint war, durch eine stärkere Koordination der fünf großen EU-Staaten Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien und Polen den sechsten großen Staat BRD wieder von der Hegemonialposition wegzubringen. Die Bankenrettung am 8. Mai 2010 zeigte, daß die BRD die Macht hatte, Frankreich an ihre Seite zu zwingen um den Rest zu dominieren. Diese Position ist in der gegenwärtigen Euro-Krise eher noch stärker geworden.

Wie konnte der deutsche Imperialismus auf den Tag 65 Jahre nach seiner Niederlage am 8. Mai 1945 wieder in diese Position gelangen? Woher kommt die Macht, die Kapitalstärke? Wie ist es den deutschen Großkapitalisten nach der Niederlage 1945 nicht nur gelungen, unter dem Schutz der dominierenden kapitalistischen Macht USA zu überleben, sondern sich sogar wieder zu einer führenden imperialistischen Macht aufzuschwingen?

Sie konnten zum einen den Widerspruch zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Lager, der sich nach 1945 zum Kalten Krieg entwickelte, ausnutzen. Zum anderen konnte die geschlagene deutsche Finanzoligarchie davon profitieren, daß auch die französischen Imperialisten, die unter die Hegemonie der USA gekommen waren, deren Vorherrschaft wieder abschütteln wollten. Zusammen mit Washington betrieben die deutschen Großkapitalisten die Spaltung Deutschlands und Europas mit dem Marshall-Plan, der Montanunion und der EWG. Im Bündnis mit Frankreich machten sie die EWG zur EU, um damit Europa zu dominieren und mit den USA zu konkurrieren.

Voraussetzung für die heutige Position der deutschen Imperialisten war, daß ihre Kapitalmassen schneller wuchsen als die der Konkurrenten, d.h. sie mußten und müssen höhere Profite einfahren.

Die deutschen Großkapitalisten hatten hierbei einige Startvorteile. Dazu gehörte, daß die europäischen Hauptkonkurrenten mit den Befreiungsbewegungen in ihren Kolonien eine Belastung bis in die 60er Jahre hatten. Die USA höhlten als Weltpolizist mit der Übernahme der imperialistischen Kolonialkriege ihre Währung aus und begannen, mehr Waren zu importieren als sie exportierten. Das führte schließlich mit dem Vietnamkrieg um 1970 zum Ende des Währungssystems von Bretton Woods, das mit dem auf hohem Niveau fixierten Wechselkurs des US-Dollars die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten in der kapitalistischen Welt garantiert hatte.

Das Ergebnis heute ist, daß die USA zwar noch das mächtigste imperialistische Land sind, das sich auf die größte Volkswirtschaft und das bei weitem größte Militärpotential stützen kann. Sie können aber längst nicht mehr den anderen kapitalistischen Ländern ihren Willen diktieren. Bei der gegenwärtigen Entwicklung werden die USA ihre Führungsmacht in der kapitalistischen Welt weiter einbüßen. Das sozialistische China ist zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen. Nach Einkommen pro Kopf ist China aber noch ein Entwicklungsland, und muß das nötige Wachstum für den Weg seiner 1,3-Milliarden-Bevölkerung aus der Armut mit Kompromissen mit Kapitalisten im In- und Ausland bezahlen. Die anderen großen Entwicklungsländer Indien und Brasilien, und das auf das Niveau eines Entwicklungslandes heruntergebrachte Rußland kämpfen um ihre Unabhängigkeit von den USA und den großen imperialistischen Mächten der EU, ebenfalls mit Zugeständnissen. Sie werden dabei, anders als das sozialistische China, aber von der nationalen Bourgeoisie geführt. (…)

Innerhalb Europas setzt sich die BRD als Hauptmacht durch. In der gegenwärtigen Krise nutzten die deutschen Imperialisten ihre relative Stärke, um die EU weiter zu einem Instrument ihrer Herrschaft auszubauen. Irland, Portugal und Griechenland waren trotz offensichtlicher Finanzschwäche mit lukrativen Angeboten an deren herrschende Klasse aus dem Einflußbereich der USA in die EU gelockt worden. Heute müssen sie mit der konkreten Gefahr leben, unter BRD-dominierte Zwangsaufsicht gestellt zu werden. (…)

Die Basis der Macht der deutschen Finanzoligarchie ist neben der schieren Größe der deutschen Industrie, die sie kontrolliert, deren hohe Produktivität. Hohe Produktivität in der kapitalistischen Industrie heißt nichts anderes, als daß pro eingesetztem Lohn-Euro viel Profit erzeugt werden kann. (…) Grundlage dafür sind die relativ niedrigen Löhne. Mit dem dadurch erhöhten Profit können moderne Maschinen gekauft werden, die wieder höhere Extraprofite abwerfen, solange die Konkurrenten nicht nachziehen können. Für die höchste kapitalistische Produktivität kommt es nicht darauf an, die absolut niedrigsten Löhne zu zahlen, sondern über die Zeit am meisten Profit zu akkumulieren. Mit der Größe wächst die Macht, die wieder genutzt wird, um den Profit zu steigern. (…)

Der entscheidende Coup bei ihrem dritten Anlauf zur Weltmacht gelang der deutschen Finanzoligarchie aber, als sie die deutsche Einheit im Imperialismus durchsetzen konnte. Noch einmal konnte sie sich den imperialistischen Konkurrenten als Speerspitze zur Zerstörung der sozialistischen Staatsmacht andienen. Das geschah nicht ohne pathetische Friedensbeschwörungen und Kompromißangebote bei der Verteilung der Beute. Auf das Treffen von Kohl und Mitterand in Verdun 1984 folgte 1990 die Übergabe von Leuna, des größten Industriebetriebs der DDR mit einer bis heute auf deutscher Seite nicht aufgeklärten Geheimdienst- und Korruptionsoperation an den französischen Elf- Konzern.

Durch die Einverleibung der DDR wurden Millionen Industriearbeitsplätze der Herrschaft der deutschen Imperialisten unterworfen, von denen bald nur noch ein kleiner Rest übrig waren. Mit der Deindustrialisierung des Anschlußgebiets und der Spaltung der Lohntarife in Ost und West entstand eine zusätzliche Reservearmee bestens ausgebildeter Industriearbeiter. Damit ließen sich die Lohnkosten dauerhaft senken, und die Produktivität erheblich steigern. Dazu kam der Migrationsdruck aus den osteuropäischen Ländern, und die Möglichkeit, Billigproduktion zu verlagern. (…) Die Liquidierung der DDR und der Anschluß ihres Staatsgebiets brachte der deutschen Bourgeoisie nicht nur die zusätzliche Reservearmee ein. Mit den Milliardensubventionen aus dem »Solidaritätszuschlag« konnten die Konzerne modernste Produktionsanlagen errichten, die zur weiteren Steigerung der Produktivität beitrugen. (…)

Der Angriff auf die Löhne erfolgte bekanntlich wieder nach dem Motto »teile und herrsche« unter dem Schlagwort »Standort Deutschland«. Die Kollegen aus dem jeweils anderen Teil der BRD, aus Osteuropa, und aus allen anderen Ländern würden mit uns um Arbeitsplätze konkurrieren, wir müßten deshalb auf den Lohnkampf verzichten: Mit diesem Globalisierungsargument handelten uns die Prediger der Klassenzusammenarbeit in der Gewerkschaftsführung unsere Kampfkraft ab und untergruben die Klassensolidarität ebenso wie die internationale Solidarität. (…) Unsere mangelnde Einheit und die entsprechend schwache Kampfkraft, die sich in der gesunkenen Lohnquote zeigt, spiegelt sich in der hohen Produktivität des deutschen Kapitals. (…)

Die Stärke der deutschen Imperialisten beruht auf unserer Spaltung. Unsere Schwäche beruht darauf, daß es unseren Herren gelungen ist, immer wieder durch Druck und Bestechung in unsere Reihen, besonders in die Gewerkschaften, einzudringen und uns zu spalten. (…) Das konkrete Ergebnis der letzten zehn Jahre Gewerkschafts- und Agendapolitik auf Grundlage der Spaltung der eigenen Reihen und der Zusammenarbeit mit der Kapitalistenklasse sind Reallohnverlust und Abbau der sozialen Leistungen durch Angriffe auf Tarife und Sozialkassen. Das Ergebnis der letzten 20 Jahre nach Liquidierung der DDR und deutscher Einheit im Imperialismus sind Krisen und Kriege statt Abrüstungsdividende und Wohlstand. (…)

Dafür soll die Welt wieder am deutschen Wesen genesen. Durch immer tiefere Krisen nimmt der deutsche Imperialismus 66 Jahre nach seiner zweiten verheerenden Niederlage, nach innen und außen wieder hochgerüstet, mit dem Instrument EU einen dritten Anlauf zur Weltmacht. Die aufgehende Schere zwischen materieller Produktion und fiktivem Kapital erhöht den Druck zur Neuaufteilung der imperialistischen Einflußsphären. Von Krise zu Krise zeigt sich deutlicher, in welch gefährliches Fahrwasser uns der deutsche Imperialismus damit bereits gebracht hat. Die internationalen Spannungen steigen an, die Widersprüche zwischen den Imperialisten werden schärfer. (…)

Wie tief die sich anbahnende Krise in Deutschland 2012 werden wird, ist heute schwer zu sagen. Wir kennen aber das Instrumentarium der Kapitalisten und ihres Staates, das sich gegen die Arbeiterklasse richtet, und können uns darauf einstellen. Wir haben keine Wahl, als die Gewerkschaften zu »Sammelpunkten des Widerstands« zu machen, damit sie wieder Kampforganisationen der Arbeiterklasse werden können. Wir wissen auch, wie und wofür wir uns sammeln, wir kennen unsere Stärke, die Solidarität: Es gilt, der Spalterei entgegenzutreten, die uns arm macht und die deutsche Finanzoligarchie gefährlich reich und mächtig.

Drei Jahre später klappte es mit dem Einrollen im Osten: Bundesk
Drei Jahre später klappte es mit dem Einrollen im Osten: Bundeskanzler Helmut Kohl 1986

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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