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Aus: schule & uni, Beilage der jW vom 16.05.2012

Kampf um Köpfe und Titel

Der bisherige Höhepunkt der Bildungsstreikbewegung liegt drei Jahre zurück. Inzwischen meckert die Wirtschaft selbst über die Ergebnisse der von ihr forcierten Reformen
Von Claudia Wangerin
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Das Ansehen akademischer Titel in der Bildungsrepublik Deutschland hat seit Anfang letzten Jahres Federn gelassen: Elitäre Spitzenpolitiker oder deren Nachwuchs entpuppten sich als falsche Doktoren, die es mit dem Urheberrecht nicht so genau nahmen, die Plagiatsjäger nehmen diesbezüglich sogar Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ins einst Visier – und die freie Wirtschaft ist auf die von ihr einst selbst geforderten Bachelor-Abschlüsse neueren Umfragen zufolge gar nicht gut zu sprechen. Zynisch, aber nicht verwunderlich, meint die Hochschulexpertin der Partei Die Linke, Nicole Gohlke (S. 2). Der Rechtsanspruch auf ein anschließendes Masterstudium für alle Bachelor-Absolventen bleibt bundesweit eine der bildungspolitischen Kernforderungen. Statt dessen sehen sich Studierende, Schüler und Lehrkräfte zum Beispiel in Sachsen mit drastischen Sparplänen konfrontiert. Am 10. Mai demonstrierten in der Landeshauptstadt Dresden bis zu 4000 unter anderem gegen die Streichung von 300 Stellen an Hochschulen.

Währenddessen werden in Bayern und Niedersachsen nach wie vor Studiengebühren erhoben. Unter dem Motto »Ihr seid die Letzten, die noch zahlen«, riefen dort vor einem Jahr Studierende zum Protest auf. In Bayern sammelten die »Freien Wähler« nun erfolgreich Unterschriften für ein Volksbegehren – allerdings nur für ein kostenfreies Erststudium, während die Piratenpartei weiterhin für die generelle Abschaffung von Studiengebühren eintritt und die Linkspartei ausdrücklich schon bei den Kinderkrippen mit der Gebührenfreiheit anfangen und die Lernmittelfreiheit auch auf Arbeitshefte und Material für den Kunstunterricht ausweiten will.

Abgeordnete dieser Partei wurden bekanntlich vom Verfassungsschutz beobachtet – und da wären wir schon beim Thema »Extremismus«: Selbiger kommt in Schulbüchern und Unterrichtsfilmen mit düsterer Hintergrundmusik von links und rechts. (S. 3). Nicht alle Lehrer sind willens oder in der Lage, dies zu hinterfragen und die Kritikfähigkeit ihrer Schüler zu fördern. Über die Lehrerausbildung wird unter anderem in Berlin heftig debattiert – Eignungstests, wie von der Schulsenatorin der Hauptstadt vorgeschlagen, hält die Bildungsgewerkschaft GEW allerdings nicht für sinnvoll (S. 5)

Was die Schule anscheinend nicht ausreichend vermittelt, sind Grundkenntnisse im Arbeitsrecht. So gibt es für die Berater in den »Campus-Offices« der DGB-Jugend viel zu tun, denn knapp zwei Drittel der Studierenden sind auf Nebenjobs angewiesen. Selbst diejenigen, die im Wissenschaftsbetrieb als »Mädchen für alles« arbeiten, werden meist lausig bezahlt, empfinden dies aber mehrheitlich nicht als bedrückend, da sie sich andere Vorteile von ihrer Tätigkeit erhoffen (S. 6 und 7). Der bisherige Höhepunkt der Bildungsstreik-Bewegung liegt nun auch schon rund drei Jahre zurück – ein Beteiligungsrekord wie im Sommer 2009, als weit über 200000 Schülerinnen und Schüler, Studierende, Professoren, Lehrkräfte und Azubis auf die Straße gingen, ist bei der für November geplanten Aktionswoche zwar nicht zu erwarten, am Ball bleiben wollen die Aktiven aber auf jeden Fall (S. 2). In der Türkei geht unterdessen der neoliberale Umbau des Bildungswesens mit islamisch-konservativem Inhalt einher (S. 8) – nicht ohne Gegenwind, doch kritische Studierende trifft dort harte Repression: Rund 7500 sind von den Universitäten suspendiert, rund 700 sitzen sogar in Untersuchungs- oder Strafhaft.


Unsere Bilderserie zeigt Studierende der Berliner Hochschule für Schauspielkunst (HfS) Ernst Busch bei Protestaktionen gegen die Einsparung eines geplanten Neubaus ihrer Ausbildungsstätte. In der zweiten Maiwoche sicherte die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus der Schule 33 Millionen Euro für den Neubau oder die Sanierung ihrer bisherigen Räumlichkeiten zu.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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